Mit dem Flachmann zur Arbeit, immer mehr Berufstätige alkoholabhängig, Krankenkassenexperte: Rechtzeitig Hilfe suchen

Bielefeld, 15. Dezember 2022

#Stress ohne Ende, #Konkurrenz, Existenzängste: Die #Arbeitswelt zerreibt viele Berufstätige, erst recht seit #Corona. Immer mehr Beschäftigte greifen mittlerweile zu #Alkohol – mit ernsten Folgen für #Gesundheit, #Privatleben, #Job und #Wirtschaft. Laut Daten einer #Krankenkasse sind vor allem immer mehr #Arbeitnehmer in den Dreißigern und Vierzigern betroffen. So ist die Zahl der Versicherten Berufstätigen der Kasse mit exzessiven Alkoholkonsum von 2011 auf 2021 bundesweit um rund ein 3. (32 Prozent) gestiegen, in der Altersgruppe der 35 bis 39 Jährigen sogar um 88,5 Prozent. Dazu zählen neben dem Rauschtrinken auch Abhängigkeit, Entzugserscheinungen und psychische Verhaltensstörungen aufgrund von Alkohol.

Vom Vor Corona Jahr 2019 auf das Jahr 2021 wurde insgesamt ein Plus von mehr als 4 Prozent verzeichnet, in der Altersgruppe der 40 bis 44 Jährigen sogar von 18 Prozent. Neben den Arztdiagnosen ist auch die durchschnittliche Krankschreibedauer pro alkoholsüchtigem Beschäftigten gestiegen. Den Höhepunkt der vergangenen 5 Jahre wurde im ersten Corona Jahr mit fast 41 Krankheitstagen verzeichnet. 2021 und 2019 waren es im Schnitt je rund 38 Tage. 2018 und 2017 mit je rund 31 Tagen noch deutlich weniger.

Krisen als Konsumtreiber

Eine #Forsa Umfrage zeigt darüber hinaus: Fast ein 3. der Berufstätigen trinkt an mehreren Tagen pro Woche Alkohol, 9 Prozent davon teils sogar täglich. Gründe dafür sind unter anderem das bessere Abschalten vom Alltag, Gewohnheit und Stressabbau. Jeder neunte Beschäftigte gibt darüber hinaus an, seit der Corona #Pandemie mehr #Bier, #Wein, #Sekt und Hochprozentigeres zu konsumieren. »Besonders in Krisenzeiten sind Rauschmittel eine Art Bewältigungsmechanismus, da sie entspannen, beruhigen und vermeintlich Ängste und Sorgen vertreiben. Besonders gefährdet sind Menschen, die bereits unter einer Alkoholsucht leiden oder dazu neigen“, erläutert Michael Falkenstein, Experte für Suchtfragen bei der KKH. Bei vielen Berufstätigen kommen noch Konkurrenzdruck und Ãœberlastung hinzu sowie seit der #Coronakrise und der #Energiekrise vermehrt Geldsorgen und Existenzängste. „Eine Reihe von Beschäftigten kommt auch mit der Isolation im Homeoffice schlecht zurecht. Wer nicht mehr täglich zur Arbeit fährt, verliert leicht seinen Tagesrhythmus und hat weniger soziale Kontrolle durch Kollegen und Kunden. Die Hemmungen mit Blick auf den Alkoholkonsum sinken«, erläutert Falkenstein.

Suchtpotenzial oft unterschätzt

Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) sind 5 Prozent der Arbeitnehmer und bis zu 10 Prozent der Führungskräfte alkoholabhängig. Diese Mitarbeiter stellen ein #Risiko für sich selbst, das #Unternehmen und die Kollegen dar. Oft entwickeln Süchtige weitere #Krankheiten und fallen dadurch einmal mehr bei der Arbeit aus. Sie haben deutlich häufiger Arbeitsunfälle als gesunde Kolleg:innen und sind deutlich weniger leistungsfähig. Ein großer volkswirtschaftlicher Schaden ist die Folge. Und nicht nur das: Auch das Arbeitsklima leidet unter dem Konsum von Alkohol. Skepsis, Misstrauen und Konflikte sind die Folge. Michael Falkenstein: »Die Gefahren durch Alkohol werden oft unterschätzt und erst dann als Problem wahrgenommen, wenn die Grenze zu Missbrauch und Abhängigkeit bereits überschritten ist. Wir unterscheiden häufig zwischen Weiß und Schwarz, nämlich den gelegentlichen Genusstrinker und denjenigen, die bereits morgens #Wodka in den Kaffee kippen. Es gibt aber noch einen riesigen Graubereich dazwischen.«

Auffälligen Konsum nicht decken

Der Experte ist überzeugt, dass die meisten zu spät Hilfe suchen, denn die Scham ist groß. Zum Suchtverhalten gehört darüber hinaus eine Realitätsverzerrung: Betroffene leugnen meist, dass sie getrunken haben und machen andere für ihre Probleme verantwortlich. Sie verharmlosen ihr Trinkverhalten und haben häufig Ausreden parat. Falkenstein empfiehlt Berufstätigen, die Alkoholprobleme bei Kolleg:innen beobachten, sich an die nächsthöhere Führungskraft oder auch den #Betriebsarzt beziehungsweise die Betriebsärztin des Unternehmens zu wenden. Verstoßen betreffende Mitarbeiter:innen mit ihrem Verhalten gegen arbeitsvertragliche Pflichten oder vernachlässigen diese, sollte die Führungskraft sie darauf ansprechen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich die Probleme verfestigen und zu einer chronischen #Erkrankung führen. Wichtig sei, Betroffene konkret und sachlich auf ihre Sucht anzusprechen und Verhaltensbeispiele aufzuzeigen, ohne sie anzugreifen, zu beleidigen oder gar zu verurteilen. Falkenstein: »Keinesfalls sollte problematischer Konsum gedeckt und die Auswirkungen durch andere ausgeglichen werden.«