Gestaffelter Mutterschutz nach Fehlgeburten kommt?! Interfraktionales Fachgespräch am 30. November 2023 im Bundestag

Belrin, 22. November 2023

Die familienpolitische Aktivistin Natascha Sagorski spricht am 30. November 2023 als Sachverständige beim interfraktionellen Fachgespräch im Paul Löbe Haus des Deutschen Bundestags. Die einladenden Abgeordneten wollen eine Nachbesserung des #Mutterschutzes für #Frauen nach Fehlgeburten prüfen. Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung sieht zwar bereits eine Erweiterung des Mutterschutzes nach einer Fehl oder Totgeburt nach der 20. Schwangerschaftswoche vor. Diese Erweiterung ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Mutterschutzregelung eine starre Stichtagsregelung bleibt und vielen Frauen weiterhin der Schutz verwehrt wird, den sie dringend brauchen. »80 Prozent aller Fehlgeburten finden in den ersten 12 Wochen einer #Schwangerschaft statt. Würde der Mutterschutz also erst nach der 12. Woche greifen, würde die überwiegende Mehrheit aller Betroffenen weiterhin ausgeschlossen. Das wäre ein verheerendes Signal.« mahnt Natascha Sagorski.« Ein Gestaffelter Mutterschutz, angelehnt an die zeitlichen Phasen einer Schwangerschaft, böte die Möglichkeit, bedarfsgerechter und individueller auf die Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen. 

»Ich bin sehr froh, dass wir mit dieser 2. Anhörung ein gutes Stück voran kommen und hoffe, dass das Ergebnis ein Antrag aus dem Parlament zu einer Reform des Mutterschutzgesetzes sein wird«, so Sagorski.

Mit einer Expertenkommission hat Sagorski einen Gesetzesentwurf mit einer Staffelung erarbeitet: mindestens zwei Wochen freiwilliger Mutterschutz im ersten Trimester mit einer anschließenden aufbauenden Staffelung. Wichtig ist Frau Sagorski die Freiwilligkeit. »Der Mutterschutz soll nicht verpflichtend sein, so dass jede Frau selbst entscheiden kann, ob sie ihn in Anspruch nehmen möchte oder nicht. Das Einführen einer freiwilligen zweiwöchigen Schutzfrist stellt keine unzumutbare Belastung für die Wirtschaft dar. Im Gegenteil: Internationale Studien belegen den Zusammenhang zwischen unzureichend verarbeiteten Fehlgeburten und Depressionen, die zu weitaus längeren Ausfällen führen.«Â 

Erste Innungskassen sprechen sich für den Gestaffelten #Mutterschutz aus

Auch Prof. Dr. Jörg Loth, Vorstandsvorsitzender der IKK Südwest, spricht sich für eine Änderung des Mutterschutzgesetzes aus. »Die aktuelle Rechtslage berücksichtigt bei weitem nicht ausreichend die Situation der Eltern und insbesondere der Mutter nach dem tragischen Ereignis einer Fehlgeburt. Bei einem so sensiblen Ereignis im Leben einer Frau und ihrer Familie darf weder eine starre Gramm noch eine Wochenzahl über die Anerkennung des Mutterschutzes bestimmen und damit den Zeitpunkt festlegen, wer sich als Mutter fühlen darf und wer nicht.« Weiter sagt er »Frauen sollten in die Lage versetzt werden, individuell und selbstbestimmt in einer solchen Ausnahmesituation zu entscheiden. Das sollte ein Gestaffelter Mutterschutz aus unserer Sicht unbedingt leisten. Auch sollte es die frei wählbare Option einer früheren Rückkehr in den Beruf geben. All dies natürlich in Absprache mit dem Arbeitgeber.«

Zustimmung in der Bevölkerung

Natascha Sagorski wirbelt seit ihrer erfolgreichen Petition zum Gestaffelten Mutterschutz nach #Fehlgeburten unglaublich Staub auf. Sie war bereits im Mai 2023 als Sachverständige im Familienausschuss im Bundestag und hat fraktionsübergreifende Zustimmung erhalten. Eine repräsentative Civey Umfrage zeigt, dass mehr als 70 Prozent der Bevölkerung eine Schutzfrist wollen und auch aus der Wirtschaft gibt es erste positive Signale. Nun müssen Taten folgen. 

Natascha Sagorski hat selbst eine Fehlgeburt erlebt und sollte am nächsten Tag wieder arbeiten gehen. Wie viele andere Frauen weiß sie, was eine Fehlgeburt bedeutet: Scham, Trauer, Schmerzen. »Fast niemand weiß, dass viele Frauen nach einer Fehlgeburt nicht automatisch krankgeschrieben werden.« Hier liegt ein strukturelles Problem, eine Gesetzeslücke, über die bislang niemand gesprochen hat. Denn viele Betroffene bekommen keine oder nur eine zu kurze Krankschreibung, so Sagorski und führt aus, warum ein früher ansetzender Gestaffelter Mutterschutz sinnvoll wäre: »Aktuell ist es so: Eine Frau, die ihr Kind am letzten Tag der 23. Schwangerschaftswoche verliert, erhält 0 Tage Mutterschutz. Verliert sie ihr Kind nur 24 Stunden später, am ersten Tag der 24. Woche, stehen ihr 18 Wochen Mutterschutz zu. Diese harte Grenze ist hochgradig unfair und medizinisch sinnlos. Aber so lautet das geltende Recht momentan und das wollen wir ändern.«

2022 startete Sagorski eine Petition für den Gestaffelten Mutterschutz und erzielte damit mehr als 75.000 Unterschriften. Gleichzeitig bat sie den renommierten Verfassungsrechtler Prof. Dr. Klinger (der am 30. November 2023 ebenfalls als #Sachverständiger geladen ist) um Prüfung, ob die #Diskriminierung von Müttern totgeborener Kinder verfassungswidrig sei. Klinger bestätigte den Verdacht und unterstützt heute zusammen mit Sagorski 4 betroffene Frauen bei einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht.

Fehlgeburten sind zwar ein Tabu aber kein Randthema. Laut Informationen des Bundestages verliert jede 3. Frau ihr Kind vor der 12. Schwangerschaftswoche.

Es wird Zeit für eine Neuregelung des Mutterschutzgesetzes.