Gütsel Interview, Roland Bless, Gründer und Ex Mitglied von Pur im Stadtpalais Bielefeld

Gütersloh, Juli 2010

Anlässlich seines Auftritts im Bielefelder Stadtpalais am Samstag, 12. Juni 2010, haben wir mit #Pur Gründer und Ex Bandmitglied Roland Bless über seine musikalischen Zukunftsaussichten gesprochen. Roland Bless, geboren am 8. März 1961 in Bietigheim, war Gründungsmitglied der Gruppe Pur. Mit 12 Jahren spielte er bereits Schlagzeug. Nach seinem Abitur studierte er Elektrotechnik, trat nebenbei als Kabarettist auf und verdiente sich mit seinem Freund als Gitarrenduo etwas dazu. Und das nicht nur in Deutschland sondern auch in Frankreich und Spanien. Am Beginn seiner musikalischen Karriere hielt Roland es für höchst unwahrscheinlich, dass aus der von ihm 1975 gegründeten Gymnasiasten Band »Crusade« eines Tages eine der erfolgreichsten Bands der deutschen Musikgeschichte hervorgehen würde. Am 3. Mai wurde die Trennung von Pur und Roland Bless bekanntgegeben.

Wie ist es zu der Trennung von Roland Bless und Pur gekommen?

Es gab menschliche und musikalische Differenzen, da haben sich Dinge zugespitzt und zum Schluss auch verselbstständigt. Die Art und Weise und der Zeitpunkt der Trennung waren aus meiner Sicht ziemlich unglücklich, aber da waren Dinge nicht mehr zu stoppen und einige Fans meinen zu Recht, dass die Art und Weise beziehungsweise die Darstellung der Veröffentlichung ein bisschen unglücklich war. Auf der Pur Website gibt es nur eine kleine Meldung. Offenbar will man in der Band nicht groß darüber sprechen. Ja. Im Prinzip will man keine schmutzige Wäsche waschen. Wenn man sich während der laufenden Tournee von einem Bandmitglied trennt, dann befürchtet man unter Umständen negative Folgen und dann versucht man natürlich, die Sache nicht hochzuspielen, sondern man versucht, die Sache auf möglichst neutralem Boden und möglichst klein zu halten.

Ist der heutige Auftritt im Bielefelder Stadtpalais eine kleine Vorab Tour?

Heute – das war eigentlich im Prinzip ein Dankeschön an die Gruppierungen in #Ostwestfalen und im Ruhrgebiet, die einen Wahnsinns-Einsatz geleistet haben in punkto Roland #Bless #Fanclub, der ja am 29. Mai gegründet wurde. Und denen habe ich versprochen, nach Bielefeld zu kommen. Die Fanclub Gründung war in Castrop-Rauxel – hier sind sehr, sehr viele Fans und deswegen habe ich mich auch entschlossen, hier her zu kommen. Natürlich – es gibt viel zwischen Bielefeld und Stuttgart, da würde es Sinn machen, auch mal in Darmstadt, Frankfurt oder Marburg zu spielen. Es hat mich einfach gereizt und ich honoriere das auch. Dass man auch über die Grenzen, die betriebswirtschaftlichen Dinge hinaus … dass man einfach sagt, okay – lass das Herz mal sprechen, geh dahin, wo die Fans sind, wo einfach auch aus Leidenschaft unterstützt wird – und das habe ich getan.

Wer waren die beiden Musiker, die Dich heute abend begleitet haben?

Der Gitarrist war Uwe Metzler. Er spielt bei »Deutschland sucht den Superstar« in der Liveband, er hat für den letzten Sänger von Genesis die Platte produziert, er war schon mit Sarah Brightman in New York im Madison Square Garden. Uwe hat eine interessante, musikalische Karriere hinter sich und ist einer der besten Gitarristen Deutschlands. Am Schlagzeug saß Frank Dapper – der macht eigentlich auch ein ganz solides Handwerk.

Habt Ihr schon öfters etwas zusammen gemacht?

Wir haben schon ein öfters ein bisschen was zusammen gemacht, und vor allem ist es auch so, dass die Fans normalerweise immer mir hinterherreisen – wenn ich irgendwo spiele, ist es doch meistens irgendwo im Großraum Stuttgart, lass es Baden-Württemberg, Bayern, Pfalz, Hessen sein … und deswegen jetzt auch der Schritt von mir »jetzt komme ich mal zu Euch«, zum Fanclub im Ruhrgebiet, das war das erste »Geburtskonzert«. Es interessiert uns natürlich, wie es jetzt weitergeht.

Solo oder mit einer Band?

Ich muss jetzt aufpassen … ich bin zeitlich sehr in Anspruch genommen, weil ich jetzt vier tolle Angebote von vier Plattenfirmen in Deutschland bekommen habe und dabei bin, mich zu entscheiden. Ich habe 3 Top Produzenten, dazu gehören auch die Produzenten von Silbermond und viele andere, das sind die besten Produzenten von Deutschland. Ich überlege gerade, mit dem ich zusammenarbeiten möchte. Es würde sich anbieten, die CD noch vor Weihnachten zu veröffentlichen, weil es da ganz interessante, großformatige Fernsehsendungen gibt, und da hätte ich natürlich schon Lust, dann zu erscheinen. Unabhängig davon ist das einfach so ein tierisch tolles, geiles Gefühl, nach dem Abschneiden dieses musikalisch-künstlerischen Maulkorbs, nach dem Weggang von Pur, jetzt endlich sein eigenes Zeug machen zu können – ich bin jetzt vogelfrei.

Was bezeichnest Du denn als Maulkorb?

Ich durfte die #Musik nicht machen, die ich machen wollte, ich durfte keine deutschen Texte machen, ich durfte nicht mit deutschen Texten auftreten und schon gar keine CD machen …

Aber das ist doch gerade Pur?

Ja … aber bei mir ging’s eben nicht. Warum auch immer. Nähere Gründe kann ich hier nicht anführen, aber es ging nicht und für mich ist es jetzt klasse. Die Trennung war schmerzlich, sie hat mich emotional sehr stark bewegt, und dennoch ist es jetzt schön, es tun sich jetzt neue Türen auf. Du merkst erst jetzt, wie festgefahren diese Sache eigentlich schon war – das ist mir jetzt auch viel mehr bewusst als während der Endphase, und deshalb bin ich auch ganz, ganz froh, wie das jetzt alles so passiert ist. Jetzt geht’s einfach nach vorn und man merkt durch diese Trennung: Jetzt passiert soviel Positives, es fallen Geschenke vom Himmel, es bewegt sich unglaublich viel Positives – das hätte ich nie für möglich gehalten. Ich wusste gar nicht, dass noch soviel Power, Energie in mir drinsteckt, dass soviel Kreativität jetzt rauskommt, man ist eine ganz andere, schillernde Persönlichkeit, man geht anders auf Menschen zu, man hat eine ganz andere Attraktivität, einen ganz anderen Stellenwert, man ist viel kommunikativer … auf verschiedensten Ebenen ist das ein Zugewinn an Lebensqualität, an Perspektive, an Lebensperspektive – für den Job und auch privat ist das sehr, sehr gut.

Und in was für eine musikalische Richtung wird das neue Projekt gehen?

Ich liebe Gitarrenmusik und ich habe früher neben dem Schlagzeug auch schon moderne, akustische #Gitarre und Straßenmusik gemacht um mein Studium zu finanzieren. Damals war ich auch der Sänger bei Pur, die ersten 2 Jahre, bevor Hartmut Engler eingestellt wurde, weil – hinter’m Schlagzeug als Sänger war ein bisschen komisch. Man braucht einen Frontsänger, eine Frontperson. Ich habe aber dadurch schon Kontakt mit dem Gesang gehabt und habe während des Studiums ziemlich viel Straßenmusik gemacht – in Deutschland, in Frankreich, in Spanien, und habe da auch die Liebe zu diesen schönen, schönen, tollen Songs entdeckt, die mich durchs Leben getragen und begleitet haben. Von daher liebe ich auch balladenorientierte, schöne Stücke, aber auch Gitarre natürlich – logischerweise – deshalb reizt es mich auch, bei Songs wie »Maschinen leben« Rammstein-Gitarrenriffs zu verwenden. Das Spektrum geht relativ weit auseinander. Was ich auch schön und interessant finde, sind Synthesizer-Spielereien. Ich möchte einfach versuchen, dem Publikum Atmosphäre zu schaffen, also diese Verschmelzung, dieses textliche Thema, dieses musikalische Thema, dass das möglichst im Einklang ist. Dass die Leute mitgenommen werden, dass sie Gänsehaut kriegen – und das kannst Du natürlich dann auch optisch durch eine entsprechende Lightshow machen.

Heute gab es ein paar Lichter, nichts Besonderes. Aber ich spiele am Donnerstag in Ludwigsburg – da ist eine perfekt organisierte Lasershow dabei, eine sechs Meter breite Wasserleinwand mit so richtig schöner Videoprojektion, dann hat man ein bisschen Standgas, auch zu den deutschen Texten passend, und es wird ein gläsernes Schlagzeug da sein, das durchleuchtet ist von Lasern und bewegten Lichtern – also insgesamt ist es einfach eine schöne, schöne Atmosphäre. Man kann einfach zaubern heutzutage … durch diese Reizüberflutung, durch TV, durch Internet, durch dieses Überangebot muss man einfach überlegen – entweder ich lasse es, anstatt dass ich mich nur einreihe und untergehe, oder ich möchte etwas versuchen, ich habe den Ansporn und den Anspruch, etwas Besonderes zu machen. Ich weiß von den Open-airs im vergangenen Jahr, dass die Leute sehr auf diese Art von Lightshow, auf diese Art von Kommunikation abfahren. Insofern wird da die musikalische und optische Reise hingehen, natürlich mit Bands … mit Bands macht es Spaß, keine Frage, aber – das muss man auch klar sagen – das ist ein Projektbauthema. Man kann nicht gleich von 3.000er oder 4.000er Hallen ausgehen – mit Produkt, mit CDs, ist es dann sicherlich wieder etwas anderes. Momentan sehne ich mich aber auch nach dieser Kleinheit der Auftrittsorte, nach diesem Beschaulichen, dass man den Leuten wieder in die Augen schauen kann, dass die einen nicht mit dem Fernglas 50 Meter weit auf der Bühne suchen müssen, dass man auch mal die Gitarre ausstöpseln kann und sich in die Menge stellen kann. Das ist sowas ganz Persönliches und ich denke auch, dass es so Phasen gibt im Leben, wo Umbrüche stattfinden, da ist das Herz offen für viel Neues … und so ein Konzert war heute. Wir haben bewusst auf die Bühne verzichtet, um unten bei den Leuten zu sein. Und das hat sich ja auch als richtig erwiesen. Was ist denn das für Dich für ein Gefühl – Du bist von Pur Stadien wie Gelsenkirchen gewohnt und spielst heute im Stadtpalais in Bielefeld. Das sind ja Unterschiede wie Tag und Nacht. Genau da soll’s ja auch wieder hingehen … das ist ja diese Grundreduktion: Was will ich eigentlich. Als erfolgreicher Musiker, der eigentlich schon alles erlebt hat, der alles erreicht hat, was man erreichen kann … wenn ich zurückblicke, waren das die schönsten Zeiten, diese Aufbruchphase, Pioniergeist, die ganze Band hält zusammen. Am Anfang waren es ein paar dutzend Leute und es wächst immer. Und dieses Wachsen, dieses Organisieren, dieses sich auf den Erfolg langsam einstellen können, das macht unglaublich Spaß. Ich finde, dass das damals die schönste Zeit war bei Pur, auch mit dem größten Zusammenhalt, mit der größten Gemeinschaft, mit der größten Qualität … und ich möchte mich jetzt bewusst wieder von diesen ganzen alten Sachen verabschieden.  Ich muss nicht mehr mit einer Limousine ins Stadion gefahren werden, ins Fünf- oder Sechs-Sterne-Hotel gebracht werden, möglichst ohne Kontakt zum Publikum. Das habe ich alles schon gehabt. Ich brauche keine fünf Securities, die mich ganz wichtig auf ein Schild heben, die mir das Gefühl geben, wichtig zu sein. Mir wird schon nichts passieren. Einfach gesagt: Ich möchte Mensch geblieben sein, ich möchte auch irgendwo für die Fans nahbar sein – das ist letzten Endes auch das, was den Erfolg von Bands ausmacht. Wenn du was zu sagen hast und das kommt bei den Menschen an, das regt dementsprechend Resonanz an … das ist sehr, sehr reizvoll.

Was hören wir als nächstes? Wann gibt es eine CD von Roland Bless?

Also die CD wird es, so wie es aussieht, im Oktober geben, noch vor dem Weihnachtsgeschäft. Wir werden die CD mit sehr viel Leidenschaft produzieren, das ist auch klar, die Stücke sind teilweise bis zu 20 Jahre alt – das ist quasi so wie bei einem schönen, guten, alten Wein, der ist schon gut abgelagert, der wurde schon oft gedreht, gewendet, der wurde beklebt, und so ist es auch mit den Stücken. Die haben schon eine große Historie hinter sich und die werden natürlich nochmal hinterfragt, halten die noch den jetzigen Ansprüchen stand, kann ich so altes Material noch »verbraten« und verwenden oder bin ich jetzt ganz anders orientiert.  Diese Auswahl an Songst ist schon ganz reichhaltig und sehr interessant, und mit einer CD als Medium habe ich natürlich schon Zugang zu den Medien, die mich veröffentlichen, die den Namen raustragen, die einfach auch mal dastehen und zeigen, der Künstler Roland Bless steckt hinter der Musik. Und das ist letztlich bei der heutigen Reizüberflutung schon auch notwendig, dass die Leute mitkriegen, was macht der Bless eigentlich jetzt … war der jetzt in Ludwigsburg, in Stuttgart, oder möchte der jetzt was Eigenes aufbauen?

Aber bei mir sitzt derzeit soviel Power dahinter, ich bin zu vielen, vielen Dingen bereit – ich bin jetzt so als gestandener, sagen wir mal »Fünf-Sterne-Künstler«, der da so rumgereicht wird von den Medien in Deutschland, nicht bereit. Aber da erfolgt jetzt auch ein bewusstes Umdenken … letzten Endes ist das Leben auch begrenzt, das Leben ist endlich und darum geht’s. Ein Stück ist doch der Weg das Ziel. Und solange der Mensch Spaß hat und etwas zu Essen und zu Trinken hat, ein Dach überm Kopf und Freunde hat, ist alles in Butter.

Und wird das alles auf Roland Bless zugeschnitten sein, oder wird das wieder eine große Band werden?

Im Prinzip ist das schon auf Roland Bless zugeschnitten, weil ich jetzt die Metamorphose von #Band #Demokratie zu etwas Höherem miterlebt habe und ich möchte jetzt einfach für mich die Chance ergreifen, weil ich ein dementsprechendes Vakuum in mir trage, ich möchte jetzt auch erstmal die Dinge verwirklichen, die in mir selbst drinstecken, aber ich möchte auch andere dran beteiligen, ich möchte das in einer Gemeinschaft machen. Durchaus auch mitspracheberechtigt, aber nicht paritätisch.

Also das ist mein eigenes Projekt, wo ich sehr viel Herzblut investiere und auch finanziell sehr viele Mittel investiere und wo die anderen Musiker so auch nicht mitgehen können, und letzten Endes macht’s auch keinen Sinn, insofern bin ich gerade auch ein bisschen auf der Suche – wo will ich eigentlich hin, wo geht meine persönliche Reise hin, mit welchen Musikern arbeite ich zusammen. Ich möchte mich jetzt nicht konkret wieder auf etwas ganz Spezielles festlegen, sondern ich möchte ein wenig unverfänglich einfach im Teich der Musiker ein wenig fischen und gucken, welche Inspirationen, welche Begleitung menschlicher Art und kameradschaftlicher Art tun mir gut, wo will ich hin als Mensch, wo ist meine Stellung, wo finde ich mich, wo sehe ich mich, insofern schon Roland Bless … in gleicher Augenhöhe mit anderen Musikern, aber dahingehend nicht gleichwertig, weil es mein Projekt ist … die Marke wird Bless sein. Ganz sicher.