Kommentar zum Beginn der #Passionszeit, mehr als #Lifestyle und Verzicht: #Fasten bedeutet Umkehr zum Wesentlichen

Konstanz, 28. Februar 2023

Nach dem Ende des Karnevals begehen Christen bis Ostern die Fastenzeit. In diesen Wochen nehmen sich viele Menschen vor, auf etwas zu verzichten. Häufig geht es ihnen dabei um einen gesünderen #Lebensstil. Doch die Entbehrung von bestimmten Nahrungs- und Konsumgütern hat nur bedingt etwas mit dem spirituellen Gedanken des Fastens zu tun. Denn eigentlich dreht sich die siebenwöchige Passionszeit um das Gedenken an das Leiden von Jesu Christi und soll uns bewusst machen, dass er für uns Drangsal und Pein erlebt hat.

Und nicht nur das: Auch wir sollen uns klar darüber werden, dass es Tiefen in unserem Dasein gibt, die zwingend zum Leben dazugehören und mehr sind, als das bloße Erleben von Schicksal und Verwundung. Gäbe es das Leiden Jesu am und auf dem Weg zum Kreuz auf Golgatha nicht, so hätte auch die Auferstehung keinen Sinn. Deshalb ist es das Anliegen der Fastenzeit, Jesus bei diesem schweren Gang zu begleiten und mit ihm in Gebet und Andacht verbunden zu sein. Das Mit-Leid steht im Zentrum der Passion.

Wir solidarisieren uns mit Christus, der für seine Überzeugung gegeißelt wurde und gestorben ist. Der die Schmach der Menschen und Herrschenden auf sich genommen hat, um im Glauben an die Wiederkunft vom Kreuz herabsteigt und trotz eigener Zweifel an seiner Erlösung letztendlich von Gott in die Welt geschickt wurde, um uns unsere Sünden zu nehmen. Daher ist die Nächstenliebe ein wesentlicher Aspekt des Fastens. Wir verzichten auf Egozentrik und geben Aufmerksamkeit denen, die ansonsten keine Stimme haben.

Die Konzentration auf das Wesentliche im Leben ist der entscheidende Punkt in der Passion. In dem Bewusstsein der Vergänglichkeit, lösen wir uns von materiellen Dingen. Wir verzichten auf das, was uns vom Verwurzeltsein im Hier und Jetzt ablenkt. In unserer Zeit haben wir viele Götzen, die uns nur scheinbares Selbstbewusstsein schenken. Wir definieren uns über neuzeitliche Idealismen, orientieren uns an Ruhm und Geld. Dabei ist ein auf die Gegenwart gerichtetes Leben so viel erfüllender und umsichtiger.

Wenn wir zum Nötigen zurückkehren und das Überflüssige ziehen lassen, werden wir dem Eigentlichen und Ausreichenden gewahr. Wohlstand und Besitz sind falsche Freunde. Sie überdecken unsere geistigen Bedürfnisse und den Wunsch nach ideeller Verwirklichung. Wenn wir in der Passionszeit all das beiseitelegen, was uns die Besinnung auf das Existenzielle kaschiert, ist ein Anderssein möglich. Leiden bedeutet auch Katharsis. Eine Läuterung von den weltlichen Genüssen, die uns hinführt zum Gedanken der Nachhaltigkeit.

Was können wir tun, um zukunftsfähig zu sein und auch unseren Generationen eine Schöpfung zu übergeben, in der man auskömmlich und qualitativ leben kann? Es geht nicht um das Verzichten, sondern um Innovation. Ob nun kreative Ideen gegen die Erderwärmung oder konkrete Beispiele für einen persönlichen Beitrag zum #Umweltschutz: Die Fastenzeit zeigt uns auf, dass nicht die Entbehrung, sondern die Veränderung der Schlüssel zum Erfolg ist. Wandel durch Mut zum Neuen, Anpassung durch Festhalten an Bewährtem.

Das gilt auch in anderen Bereichen. Gerade geht es in der Welt um den #Frieden. Die Passionszeit heißt nicht nur, das Leiden der #Ukrainer zu teilen und Mitmenschlichkeit zu zeigen. Sondern auch, irdische Kategorien von Aufrüstung zu überwinden. Das Entbehren von #Waffen als alleiniger Maßnahme zur Lösung des Konflikts. Auf die Erfahrung der Diplomatie zu vertrauen und ausgetretene Pfade zu verlassen. Weniger militärische Logik, dafür ein Mehr an Engagement für Verhandlungen, ohne Putin den fanatischen Imperialismus zu goutieren.

Und nicht zuletzt setzt die Fastenzeit bei uns im Kleinen an. Was nimmt mir die Sicht auf mein Herz? Welches Übermaß verblendet mich und meine Bescheidenheit? Was leitet mich auf falsche Wege und desorientiert mich auf der Suche nach Gott und meiner unverblümten Persönlichkeit und Nüchternheit? Weniger vom Stress des Alltags, von der Lautstärke des Lebens. Dafür mehr Einkehr und Bußfertigkeit. Gewohnte Strukturen und Glaubenssätze über Bord zu werfen, um Platz für die Entfaltung von Mehrwert und Sinnhaftigkeit zu schaffen.

Dennis Riehle, Laienprediger und Seelsorge