Gütersloh, Stadtmarketing, Interview mit Jan Erik Weinekötter »Es wird jeder Euro Steuergeld verdoppelt«, September 2009

  • Der Geschäftsführer der Gütersloh Marketing GmbH, Jan Erik Weinekötter, über Gütersloh, Finanzen, Projekte und über den Moment, an dem er ans Aufhören dachte. Zurzeit arbeitet er an einer Imagekampagne.

Gütersloh, September 2009

Weinekötter, 41, studierte nach dem Abitur in Oelde Sportwissenschaft mit dem Schwerpunkt Mangement-Marketing. Nach dem Studium war er 1999 für das Marketing der international vielfach beachteten Karolinger Ausstellung in Paderborn verantwortlich, um danach sechs Jahre als Geschäftsführer im Bereich #Stadtmarketing und #Wirtschaftsförderung in Steinheim (Westfalen) zu arbeiten. Seit 2006 ist er Geschäftsführer der Gütersloh Marketing GmbH und gehört damit zur »Generation 2.0« der GTM. Markus Corsmeyer sprach mit Jan Erik Weinekötter, der für 2010 eine Imagekampagne für die Stadt plant.

Sie sind ein »Zugereister«, arbeiten am Image der Stadt und vermarkten Gütersloh. Da drängt sich gleich die erste Frage auf: Wohnen Sie eigentlich hier?

Ich wohne natürlich in Gütersloh und bin der festen Überzeugung, dass man in dieser Stadt wohnen muss, wenn man richtiges Stadtmarketing machen will. Mir fällt es eindeutig schwer, anderen Leuten die Attraktivität dieser Stadt zu verdeutlichen, wenn man eingestehen muss, dass man nicht in Gütersloh wohnt. Ich kann aus voller Überzeugung sagen: Ich wohne gerne in Gütersloh, und ich wohne momentan auch dort, wo ein Geschäftsführer einer Stadtmarketinggesellschaft das Meiste mitbekommt: in der Fußgängerzone – direkt in der City.

Bitte einfach – und auch nicht zu »akademisch«: Wie definieren Sie Stadtmarketing? Wie vermarkten Sie eigentlich Gütersloh?

Vereinfacht kann man sagen, dass Stadtmarketing die Vermarktung einer Stadt nach innen und außen darstellt. Innen und außen bezieht sich darauf, dass einerseits das Marketing nach innen gerichtet den Güterslohern deutlich machen soll, dass sie wirklich in einer sehr guten und schönen Stadt wohnen. Im weiteren Schritt des so genannten Binnenmarketings sollte der Bürger als Multiplikator und damit als ein klassisches #Marketing #Tool für die Außenvermarktung genutzt werden. Genau dieses Außenmarketing ist die zweite Aufgabe des Stadtmarketings, wo es auch in den Bereich des Standortmarketings geht, und dann spricht man schnell auch von der Vermarktung der Stadt nach außen, über die Stadtgrenzen hinaus – sowohl regional als auch überregional. Stadtmarketing ist in der Vergangenheit häufig durch Vereine und Institutionen ehrenamtlich geschehen. Durch berufliche Anspannung der Ehrenamtlichen und den Kostendruck in den Firmen, die ihre Mitarbeiter nicht mehr so intensiv abstellen konnten, wurde zwangläufig eine Professionalisierung notwendig.

Welche Aufgaben betreuen Sie also konkret?

Die Vermarktung nach innen und außen ist ein #Marketing Mix. In Gütersloh wird es häufig nur an der Festivalisierung, den großen innerstädtischen Veranstaltungen, festgemacht. Das ist aber nur ein geringer Bestandteil unserer Arbeit. Es geht zum Beispiel darum, sämtliche Print Produkte für die Stadt auszurichten, Projekte zu starten, Anzeigenkampagnen zu schalten, in Gremien auf Kreis- und Landesebene entsprechende Texte für Gütersloh zu gestalten. Es gilt darüber hinaus auch, Gütersloh mit anderen Playern im Zuge des Networkings zusammenzubringen. 

Stichwort Finanzen: Die Situation in Gütersloh ist angespannt, die Stadt steht kurz vor der Haushaltssicherung. Ist die GTM in diesen finanziell schwierigen Zeiten zu teuer?

Als wir den Bereich Tourismus, Stadtwerbung und Servicecenter zum 1. Januar 2008 übernommen haben, war unser Auftrag, nicht billiger zu werden. Wir sollten vielmehr mit den gleichen Mitteln, die uns zur Verfügung gestellt wurden, ein besseres und höheres Dienstleistungsangebot schaffen. Das kann man zum 1. Januar 2008 auch sehr deutlich als ersten Konsolidierungserfolg in Form von um 40 Prozent erweiterten Öffnungszeiten beziffern. Zu Beginn meiner Tätigkeit gab es einen städtischen Zuschuss von 181.000 Euro, und die GmbH hatte damals Erträge von 26.000 Euro. Wir haben dann zusätzliche Mittel für Aufgabenbereiche erhalten, die wir von der Stadt übernommen haben. Inzwischen gibt es einen Zuschuss von 376.00 Euro, wir haben inzwischen eigene Erträge durch Veranstaltungen, Ticketing-Gebühren, Sponsorenmittel von 379.000 Euro. Zum Vergleich: Vor meiner Zeit gab es 181.000 Euro Zuschuss und 26.000 Euro Erträge – heute finanzieren wir etwas mehr als die Hälfte selbst! Soll heißen: Aktuell haben wir einen Einsatz von Aufwendungen für das Stadtmarketing von rund 750.000 Euro – und nur die Hälfte davon sind Steuergelder. Jeder Euro Steuergeld, der in die GTM fließt, wird im Aufwand durch private Mittel für das gemeinsame Ziel, Stadtmarketing für den Standort zu betreiben, verdoppelt! Das haben wir innerhalb von drei Jahren erreicht. Das ist ein hervorragender Wert. 

Gelegentlich werden Ihnen zu hohe Personalkosten unterstellt …

In der Öffentlichkeit wird von 10 Köpfen bei der GTM gesprochen. De facto haben wir jedoch 5,5 Stellen, die wir natürlich auf mehrere »Köpfe« verteilt haben. Das liegt daran, das nicht alle Stellen mit 40 Stunden belegt sind. Im betriebswirtschaftlichen Sinne sprechen wir nicht von zehn, sondern von 5,5 Stellen. Die werden ergänzt durch Mini-Jobs, Praktikanten sowie eine Auszubildende.

Laut Nobby Morkes (BfGT) liegt das Verhältnis von Personalkosten – gemessen am Zuschuss – bei 75 Prozent ...

Herr Morkes hat falsch gerechnet! Rein rechnerisch sind es – gemessen am Zuschuss – nicht 75 Prozent, sondern nur 60 Prozent. Als Unternehmenskennziffer werden nicht die Personalkosten am städtischen Zuschuss gemessen. Als Unternehmenskennziffer werden vielmehr die Personalkosten an den Gesamtaufwendungen gemessen. Demnach liegt die GTM bei 30 Prozent. Wir bewegen uns in der Dienstleistungsbranche: Hier ist eine Unternehmenskennziffer mit 30 Prozent Personalkosten sehr gut, sie bescheinigt der GTM darüber hinaus ein sehr effektives Arbeiten.

Gütersloh ist neugierig: Was planen Sie Neues für das Jahr 2010?

Wir planen eine Binnenkampagne für das Image der Stadt. Sie soll Anfang 2010 kommen. Es wird eine Kampagne, die darauf hinweist, dass wir in Gütersloh etwas lauter, frecher und besser über unseren eigenen Standort sprechen müssen. Für den Veranstaltungsbereich sehe ich zur Zeit keine Notwendigkeit, neue Veranstaltungen zu generieren …

Thema Wellerdiek: Brauchen wir weitere Einzelhandelsflächen in Gütersloh?

Allen in Gütersloh ist inzwischen klar, dass wir einen gewissen Bedarf an zusätzlichen Einzelhandelsflächen haben. Er ist aber nicht so groß, wie er ursprünglich bei der Diskussion dargestellt wurde. Die Wirtschaftskrise wirft die Frage auf: Welches Investment ist in welcher Größenordnung möglich? Man darf aber nicht nur warten, bis ein Investor nach Gütersloh kommt. Es gibt vielmehr die Verpflichtung, über weitere Themen über den Einzelhandel hinaus nachzudenken. Für die Entwicklung einer Stadt sind unter Umständen auch andere Ausrichtungen sinnvoll. Ein gutes Beispiel ist das Französische Viertel in Tübingen. Dort hat man ein generationsübergreifendes Wohnen realisiert und mit einem Dienstleistungsmix mit kleiner Einzelhandelsfläche kombiniert. Das Konzept zieht auch die kreative Klasse an einen Standort und sorgt für ein gutes Wachstum und eine positive Entwicklung einer Stadt. Gütersloh braucht auch kreative Wohnmöglichkeiten und Lebensmöglichkeiten. Gütersloh ist leider kein Hochschulstandort …

Sie haben viele »Kollegen« in dieser Stadt, die meinen, Ihren Job besser machen zu können. Das kann nerven. Haben Sie schon einmal ans Aufhören gedacht?

Ja – ich habe schon einmal darüber nachgedacht, eine andere berufliche Perspektive anzunehmen! Es gab Momente, in denen mir alles zu langsam ging. Wir reden in dieser Stadt oft zu viel über Dinge anstatt sie zu tun! Für einen GmbH Geschäftsführer, der Entscheidungsprozesse schnell forcieren möchte, ist das mitunter anstrengend. Darüber hinaus war der öffentliche Umgang mit der GTM zu Beginn meiner Tätigkeit nicht sehr angenehm. Es gab aber Gründe, die diese Gedanken sofort im Ansatz erstickt haben. Ich fühle mich sehr an mein Wort gebunden und habe versprochen, nicht frühzeitig das Handtuch zu werfen und so das Projekt Stadtmarketing zu gefährden. Ich glaube, dass wir in den vergangenen drei Jahren einen guten Job gemacht haben. Wir haben die GmbH inhaltlich und finanziell sehr stabil aufgebaut. Ich habe das Gefühl, hier noch lange nicht mit meiner Aufgabe fertig zu sein. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber noch nicht am Ziel. Da ich in Beckum geboren bin, sagt man mir auch einen gewissen »Zementkopf« nach. Das bedeutet: Ich packe eben nicht bei jedem leichten Gegenwind meine #Koffer und flüchte.