Wie übergangene Erben schnell zu ihrem Geld kommen, von Dr. Sven Gelbke

Die Testamentseröffnung ist für manchen Erben ein Jubeltag, für andere dagegen ein traumatisches Erlebnis. Wenn die Geschwister alle im Testament bedacht werden und nur der eigene Name darin nicht vorkommt, ist die Enttäuschung groß. Haben die Eltern mich vergessen? Was habe ich falsch gemacht? Erbe ich jetzt gar nichts?

Nach dem ersten Schock erleben übergangene Personen das weitere Problem, dass sie erst einmal auf sich allein gestellt sind. In Deutschland erhalten zurückgesetzte Erben vom Nachlassgericht meist nur ein Schreiben mit einem für die Betroffenen wenig hilfreichen Satz: »Sie wurden von der Erbfolge ausgeschlossen.« Jetzt heißt es Ruhe bewahren und sich genau überlegen, ob man die Situation allein löst oder einen Experten zu Rate zieht. Immerhin erbt man im Leben oft nur einmal. Es fehlt also die Erfahrung, um mit dieser Materie souverän umzugehen. Wichtig ist jetzt erst einmal zu eruieren, wer denn stattdessen Erbe geworden ist. Auskunft darüber erteilt das Nachlassgericht.

Nachlassgericht ermittelt Erben 

Das Nachlassgericht, in der Regel das Amtsgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers, überlässt dem Übergangenen auf schriftliche Anfrage die Adressen der Erben. Aus dem Testament ergibt sich in der Regel, ob ein Betroffener ausdrücklich von der Erbfolge ausgeschlossen worden ist oder man ihn überhaupt nicht erwähnt hat. Dann besteht dennoch ein gesetzlich garantierter Erbanspruch – der so genannte Pflichtteil. Dieser muss von den Erben in Geld ausgezahlt werden. Das gilt auch dann, wenn die zurückgesetzte Person nur ganz geringfügig bedacht worden ist und mit diesem Erbe weit hinter dem Pflichtteilsanspruch zurückbleibt.

Sehr häufig kommt es in der Praxis vor, dass Erblasser wenige Jahre vor ihrem Ableben hohe Schenkungen vornehmen, um das Erbe gewisser Angehöriger zu reduzieren. Auch daran hat der Gesetzgeber in Deutschland gedacht und einen so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruch geschaffen. Dieser ist ebenfalls beim Erben geltend zu machen.

Ãœbergangener Erbe muss selbst aktiv werden

Übergangene Personen müssen sich selbst aktiv an den oder die Erben wenden. Hierbei gilt, schnell und ohne langes Zögern zu handeln. Zum einen verjährt der Pflichtteilsanspruch nicht wie andere Erbansprüche in 30 Jahren, sondern in der regelmäßigen Frist von drei Jahren. Auch gelten unterschiedliche Fristen für Schenkungen des Erblassers. Vor allem aber kann der Erbe ab Geltendmachung in Verzug gesetzt werden. Das bedeutet, bei jedem Tag, an dem dieser die Zahlung hinauszögert, erhöht sich der Anspruch durch Zinsen.

Wie der Pflichtteil errechnet wird

In Deutschland gilt die Erbrechtsgarantie. Sie besagt, dass nahe Angehörige selbst dann erben, wenn sie im Testament übergangen oder ausgeschlossen wurden. Sie erhalten dann den Pflichtteil. Allgemein steht Übergangenen die Hälfte ihres gesetzlich festgeschriebenen Erbteils zu. Dabei unterstellt der Gesetzgeber, dass kein Testament existiert und die gesetzliche Erbfolge gilt. Wer zum Beispiel mit einem Geschwister gleichberechtigt Erbe geworden ist, erhält jetzt nur noch die Hälfte, also 25 Prozent. Würde das Vermögen zum Beispiel 80.000 Euro betragen, könnte der Übergangene daraus also 20.000 Euro als konkreten Zahlungsanspruch gegen den Erben geltend machen.

Vom Erben ein Nachlassverzeichnis verlangen

Um die genaue Höhe des Zahlungsanspruches herauszufinden, sind Enterbte auf den Erben angewiesen. Dieser ist verpflichtet, ein korrektes und vollständiges Nachlassverzeichnis zu errichten. Das Verzeichnis soll im Idealfall alles enthalten, was der Verstorbene hinterlassen hat. Stichtag ist hierbei der Todestag des Erblassers. Das Nachlassverzeichnis kann auch handschriftlich verfasst sein. Dennoch ist es für Enterbte wichtig, zu wissen, was verpflichtend darin stehen muss, denn das Vermögen des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes ist die Grundlage, um den ihnen zustehenden Zahlungsanspruch der Höhe nach zu berechnen.

Ein notarielles Nachlassverzeichnis dauert häufig Monate

Das Nachlassverzeichnis soll auf der einen Seite die Aktiva enthalten, also alle Vermögensgegenstände, die zum Zeitpunkt des Versterbens des Erblassers vorhanden waren. Das können Fahrzeuge sein, Schmuck, Hausrat, insbesondere aber natürlich Häuser, Grundstücke oder sogar Unternehmensanteile sein. Die Erfahrung zeigt, dass Erben entweder selbst Probleme haben, ein genaues, vollständiges und korrektes Nachlassverzeichnis zu erstellen. Es kommt naturgemäß auch vor, dass sie ein emotionales Interesse daran haben, der enterbten Person möglichst wenig zukommen zu lassen. Es wird daher nicht selten versucht, das Erbe klein zu rechnen. Andererseits werden die Probleme auf der Seite der Erben verständlich, wenn man bedenkt, dass ein solcher Zahlungsanspruch unter Umständen bedeuten kann, dass Vermögenswerte verkauft werden müssen, um das nötige Geld für den Zahlungsanspruch der übergangenen Person zu erzielen. Es gibt Fälle, in denen Darlehen aufgenommen werden müssen oder ein ganzes Unternehmen zerschlagen werden muss, um Gelder zu generieren, mit denen der Zahlungsanspruch befriedigt werden kann.

Im Zweifel hilft ein Wertgutachten

Dennoch müssen und dürfen übergangene Personen Sicherheit haben, dass die angegebenen Werte im Nachlassverzeichnis korrekt sind. Gibt es zum Beispiel Zweifel darüber, dass das Haus tatsächlich nur 200.000 Euro und nicht doch eher 500.000 Euro wert ist, besteht das Recht, vom Erben zu verlangen, dass dieser ein Sachverständigengutachten in Auftrag gibt. Selbstverständlich wird ein solches Gutachten eine gewisse Dauer mit sich bringen. Auch mit guter Beratung lässt sich dies zwar manchmal nicht vermeiden. Doch kann eine rechtliche Begleitung hier viel bewirken. Ein Rechtsdienstleister oder Rechtsanwalt wird durch Verhandlungsgeschick und eine gute Taktik den Zeitraum von der Testamentseröffnung bis hin zur Zahlung ganz erheblich verkürzen können.

Vergleiche anstreben

Eine verbleibende Möglichkeit auf der Stufe der Wertermittlung bleibt natürlich die, sich vergleichsweise bei unklaren Werten zu einigen. In einem solchen Übereinkommen wird geregelt, in welcher Höhe die übergangene Person sofort die Auszahlung erhält. Der Streit um das Erbe kann auf diese Weise erheblich abgekürzt werden, was beiden Seiten viel Stress und Ärger erspart – ein nicht zu unterschätzender Faktor. Beide Seiten profitieren hier aber auch von einer Kostenersparnis, weil kein Notar eingeschaltet werden muss und vielleicht auch hinsichtlich einzelner Posten auf die Einholung von Sachverständigengutachten verzichtet werden kann. Die Gebühren solcher Amtspersonen können ganz erheblich sein. Sie müssen aus dem Nachlass bezahlt werden, was nicht nur den Erben belastet, sondern mittelbar auch jeden Übergangenen.

Sollten Zweifel an der Richtigkeit der angegebenen Werte oder gar der Aufrichtigkeit des Erben hartnäckig bestehen bleiben, haben enterbte Personen ein letztes Mittel: die Eidesstattliche Versicherung des Erben. Dieser muss unter Umständen, wenn der Enterbte dies verlangt, vor dem Amtsgericht die Erklärung abgeben, dass er das Nachlassverzeichnis nach seinem besten Wissen erstellt hat. Leider wird auch ein solches Verfahren die Erfüllung des Anspruchs verzögern.

Schneller ans Ziel kommen durch Unterstützung von Fachexperten

Übergangene Erben sollten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt entscheiden, ob sie einen Anwalt oder Rechtsdienstleister beauftragen. Nicht zuletzt der emotionale Druck, der von den Betroffenen bei der Durchsetzung nie unterschätzt werden sollte, kann durch eine gute Unterstützung abgemildert werden. Mit den Erbschützern haben wir uns beispielsweise ausschließlich auf die Durchsetzung solcher Pflichtteilsansprüche spezialisiert. Mit einem reinen Expertenteam ist es oft leichter, die notwendigen Mittel zur beschleunigten Durchsetzung anzuwenden, auf der anderen Seite aber auch zu erkennen, wann Eile sich zuungunsten der Übergangenen auswirken kann. Gerade bei der konkreten Betrachtung, welche Positionen und Schenkungen zu berücksichtigen sind, kann sich die notwendige Expertise schnell auszahlen: So werden hälftig übertragene Grundstücke auf den Ehegatten oft übersehen, die einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen können. Gleiches gilt auch oft für Kontobewegungen, die sich als Schenkungen erweisen. Auch wenn eine schnelle Durchsetzung gewünscht ist, sollte eine korrekte Betrachtung des Nachlasses nie ausbleiben. Nur so kann es zu einer fairen Behandlung auch für die übergangenen Personen kommen.

Dr. Sven Gelbke ist Geschäftsführer der JustSolutions GmbH, die die Website www.dieerbschützer.de betreibt.