Bielefeld (fhb). Interdisziplinarität ist in Forschung und Lehre mittlerweile fest verankert. Die #Fachhochschule (#FH) Bielefeld geht noch einen Schritt weiter und gestaltet nun auch das Lernen interdisziplinär: Studierende des Fachbereichs #Gesundheit und des Fachbereichs #Wirtschaft haben im Lehrprojekt »Hospital Management« gemeinsam ein virtuelles Krankenhaus gemanagt. Und dabei schon im Bachelor gelernt, wie wichtig und bereichernd der Blick über den disziplinären Tellerrand im späteren #Berufsleben sein wird.

Ökonomie und Gesundheitswesen – zwei gegensätzliche Disziplinen?

Initiiert wurde das innovative Lehrprojekt von Prof. Dr. Heiko Burchert. Der Ökonom hat Erfahrung mit Interdisziplinarität: Sein Lehrgebiet der betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen des Gesundheitswesens ist im Fachbereich Wirtschaft und im Fachbereich Gesundheit angesiedelt – und damit an der Schnittstelle zwischen zwei oft gegensätzlich gesehenen Disziplinen. »Richtig verstanden gehört die Ökonomie jedoch zum Gesundheitswesen dazu und sorgt erst dafür, dass das Gesundheitswesen gut funktionieren kann«, erklärt Burchert.

Interdisziplinär angelegtes Planspiel mit externer Expertin

Für #Studenten im Fachbereich Gesundheit hat er das Lehrprojekt »Hospital Management« schon mehrfach durchgeführt. Sie waren zunächst die eigentliche Zielgruppe. »Ãœber die praktischen Problemstellungen eines Planspiels gelingt hier die nachhaltige Auseinandersetzung der Studierenden aus dem Fachbereich Gesundheit mit neuen und erst einmal fachfremden Lehrinhalten besonders gut«, weiß Burchert. Erst recht, wenn die interdisziplinären Inhalte auch interdisziplinär vermittelt werden. Deshalb bietet der Professor die Veranstaltungen zusammen mit Maria Kannenberg an: Die studierte Berufspädagogin ist im #Herz- und #Diabeteszentrum Bad Oeynhausen zuständig für Ausbildung und Praxisanleitung. Als Dozentin kann sie so direkt den Blick aus der Praxis des #Gesundheitswesens in die Lehrveranstaltung einbringen.

Interdisziplinär sind beide Teams: Hochschullehrer und Studenten

Gemeinsam erarbeiteten Burchert und Kannenberg in der Vergangenheit betriebswirtschaftliche Grundlagen mit den Studierenden. Diese hatten allesamt bereits eine Ausbildung im Pflege- oder Therapiebereich absolviert. Ziel war es, die Studierenden in die Lage zu versetzen, die neuen Kenntnisse im Planspiel anzuwenden. Damit das Planspiel gut klappt, zogen Burchert und Kannenberg weitere Expertise hinzu. Die richtige Person war in Prof. Dr. Jürgen Schneider, Experte für Planspiele aus dem Fachbereich Wirtschaft, schnell gefunden. Nun wurde ein weiteres Ziel ins Auge gefasst: Die Interdisziplinarität sollte ausgedehnt werden auf die Ebene der Studierenden: Im Sommersemester nahmen erstmals auch Studierende aus dem Fachbereich Wirtschaft am Lehrprojekt »Hospital Management« teil. Sie übernahmen die Rolle von klassischen betriebswirtschaftlichen Beratern und brachten in den gemischten Planspiel-Teams ihre Expertise in die Planungen zum Management der virtuellen Krankenhäuser ein. Diskutiert und entschieden wurde coronabedingt virtuell auf der Grundlage von »Wirtschaftsinformationen«, die das Spielprogramm vorgab. »Die Studierenden haben auf Augenhöhe miteinander agiert und voneinander gelernt«, resümiert Burchert.

Interessante Erfahrung: Geld ausgeben, das es gar nicht gibt

Anfangs waren die Standpunkte klar verteilt: »Die BWL-Studierenden waren sehr fokussiert auf die Einnahmen und Ausgaben, während für uns Gesundheits-Studierende die Zufriedenheit der Patienten und Mitarbeitenden an erster Stelle stand«, erzählt Maike Kruse. Das kann Lana Sölter aus dem Fachbereich Wirtschaft bestätigen: »Wir schauen auf Zahlen, Gewinne und Ausgaben, womöglich auch auf Kosten der Mitarbeitenden, um möglichst viel mit möglichst kleinem Einsatz zu bekommen.«Â Trotz der unterschiedlichen Ausgangslage hat die Arbeit in den Teams gut funktioniert und den Blick geschärft für gangbare Kompromisslinien. Ganz nebenbei gab es immer auch wieder Grund zum Lachen: »Besonders, wenn die Studierenden aus dem Fachbereich Gesundheit weiter Geld ausgaben, das gar nicht da war, und den BWLern schon flau im Magen wurde«, erinnert sich Lana Sölter.

Aspekte jenseits des Betriebswirtschaftlichen mitdenken

Im Laufe des Spiels und der Zusammenarbeit näherten sich die unterschiedlichen Sichtweisen nach und nach an: »Vor allem die Zusammenhänge und Hintergründe von betriebswirtschaftlichen Entscheidungen habe ich immer besser verstanden und nicht mehr nur Formeln auswendig gelernt«, sagt Maike Kruse. Auch Lana Sölter hat vom Input der Gesundheits-Studierenden profitiert: »Ich habe ganz andere Sichtweisen auf bestimmte Fragestellungen kennen- und verstehen gelernt. Das hilft mir, meinen Blick zu erweitern und auch Aspekte zu integrieren, die über das rein Betriebswirtschaftliche hinausgehen.«

Personell sehr gut ausgestattete Krankenhäuser

Komplett gewandelt haben sich die Prioritäten aber nicht, der eigene Erfahrungshintergrund beeinflusste weiterhin die Entscheidungen der Studierenden, hat Maria Kannenberg beobachtet: »Die Krankenhäuser waren im Planspiel personell schon sehr, sehr gut ausgestattet. Aber die einen Studierenden konnten jetzt nachvollziehen, dass das Personal der teuerste Posten ist und besser ausgelastet werden musste. Und den anderen wurde klar, dass sich der Erfolg eines Krankenhauses nicht allein an betriebswirtschaftlichen Zahlen messen lässt.«

Wertvolle Erfahrungen für »Gesunde« und BWLer

Heiko Burchert freut sich über die Lernergebnisse: »Die Erweiterung der Sichtweisen und das Verständnis von Zusammenhängen über das eigene Fachgebiet hinaus ist genau das, was die Studierenden später im Beruf brauchen. Denn im realen Krankenhaus – und auch in Wirtschaftsunternehmen! – treffen sie auf verschiedene Berufsgruppen und Akteure müssen deren unterschiedlichen Anforderungen einbeziehen. Im Planspiel erfahren die Studierenden sehr deutlich, welche Auswirkungen betriebswirtschaftliche Entscheidungen auf die Gruppen haben, und lernen, sie zu reflektieren.«

Burchert plant, das interdisziplinäre Lehr- und Lernprojekt in der Zukunft erneut anzubieten. Lana Sölter möchte die Erfahrung nicht missen: »Ich kann es nur empfehlen, auch neben dem Hauptstudium in andere Fachbereiche zu schauen und sich mit den Studierenden dort auszutauschen.«