Ist das Trinkgeld eine Anerkennung für einen guten Service? Forscher der Universität Frankfurt sagen, dass ganz andere Faktoren eine Rolle spielen – beispielsweise, mit wem man beim Essen sitzt.

Über Geld spricht man nicht. So ist es auch beim Trinkgeld, das von vielen Konventionen bestimmt wird, die aber nicht klar definiert sind, was nicht selten für Irritationen sorgt. Das haben Forscher 2018 im Fach Wirtschaftssoziologie an der Universität Frankfurt entdeckt.

Es fängt damit an, dass niemand genau weiß, wieviel Trinkgeld man geben soll. Das Personal geht in der Regel von zehn Prozent aus. Gäste gehen hingegen meist von fünf bis zehn Prozent aus oder runden mit einem »Stimmt so« einfach auf. Natürlich hängt es auch von der Art des Lokals ab. In einem Fastfood-Tempel oder einem Imbiss ist Trinkgeld unüblich.

Unter der Anleitung von Professor Christian Stegbauer haben Studenten in einem Forschungsseminar bei ausführlichen Interviews 40 Kellner und Gäste befragt und dabei Wert auf einen repräsentativen Querschnitt der Betriebe gelegt – vom Café über die Bar bis zum teuren Restaurant.

Das Hautpaugenmerkt lag auf der Frage, wonach sich die Gäste beim Trinkgeld richten: »Das hat oft nichts mit der Qualität des Restaurants zu tun. Es geht vielmehr um die Beziehung der Gäste untereinander«, so Stegbauer.

Es wurde festgestellt, dass sich Gruppenmitglieder beim Geben des Trinkgelds oft aneinander orientieren. Gruppen entwickeln ihr eigenes Ritual. Wer sich relativ gut kennt, legt beim Zahlen oft zusammen. Beim Trinkgeld richtet man sich dann danach, wer was gibt. Diskutiert wird über die Höhe des Trinkgelds aber normalerweise nur dann, wenn die Beziehungen sehr eng sind, wie beispielsweise unter guten Freunden oder in der Familie.

So kommt es nicht gut an, wenn beispielsweise unter Arbeitskollegen der Chef weniger Trinkgeld gibt als seine Angestellten. Der Gruppeneinfluss scheint beim Trinkgeld also groß zu sein. »Wenn man großzügig sein will, muss man nur die eigene Gruppe übertrumpfen und sonst niemanden«, so Stegbauer. Viele glauben trotzdem, sie ließen sich beim Trinkgeld vom eigenen Umfeld nicht beeinflussen.

Beim ersten romantischen Date gib es in der Regel besonders viel Trinkgeld. Es geht schließlich darum, bei der Partnerin oder dem Partner im Restaurant einen guten Eindruck zu hinterlassen.

Das Trinkgeld ist aber auch ein wichtiges Signal in der Kommunikation zwischen Gast und Personal. Der »Flirtfaktor« kann den Geschlechtern in beiden Richtungen eine Rolle spielen: Ein Gast sei beispielsweise auf Körperkontakt aus, wenn er der Servicekraft das Geld in die Tasche stecke. Das könnten sich auch Kellnerinnen mit bestimmter Kleidung und entsprechendem Lächeln zunutze machen. Es kommt natürlich auch darauf an, ob man vom Chef oder den Angestellten bedient wird, und wie gut man sich kennt – oder ob überhaupt.

Die Studenten erfuhren, dass beispielsweise eine weibliche Servicekraft vom Wirt dazu angehalten wurde, älteren Herrschaften immer wieder mal den Arm auf die Schulter zu legen. Auch Kellner können offenbar bei Frauen mehr Trinkgeld herausholen.

Das Trinkgeld gibt man nicht nur für einen guten Service, sondern auch für ein gutes Essen. »Vieles wird dabei auf den Geldbetrag reduziert«, so Stegbauer. Ãœber die Qualität des Essens wird ungern mit dem Personal gesprochen – vor allem dann, wenn es schlecht war. Offenbar wird selten die Wahrheit gesagt.

Das Trinkgeld landet der Untersuchtung zufolge mal beim Personal, mal beim Gastronomen, es wurden verschiedene Formen ermittelt. Oft wird das Geld auch mit der Küche geteilt.

Trinkgelder gelten als steuerfrei, wenn sie als Anerkennung des Services ans Personal gehen. Fällt es niedrig aus, lästert das Personal gerne über die Gäste. Auch das ist ein Ergebnis der Studie.