Team statt Einzelkämpfer: Dr. Bernd Strickmann teilt sich die Ärztliche Leitung Rettungsdienst (ÄLRD) Kreis Gütersloh mit zwei Stellvertretern. Von der Pandemie etwas in den Hintergrund gedrängt, starteten die Oberärzte Martin Deicke und Dr. André Kobiella im vergangenen Jahr ihren Dienst beim Kreis Gütersloh. Sie unterstützen Dr. Strickmann auch bei den Notarztdiensten – bislang war Strickmann der einzige Notarzt, auf den zurückgegriffen werden konnte, wenn der Dienstplan mit den Honorar-Ärztinnen und -Ärzten aus dem Notarztpool nicht lückenlos zu erstellen war. Er musste stets auf sich selbst zurückgreifen, Strickmann macht den Dienstplan.
 
Alle drei sind Anästhesisten, Dr. Kobiella zusätzlich auch Allgemeinmediziner und hat gerade seinen Master of Health Administration (M.A.) absolviert. Deicke ist ehrenamtlich in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv, auch hier in einer Führungsposition. Beide sehen in dem Konstrukt, das innerhalb der Abteilung Bevölkerungsschutz jetzt gefunden worden ist, einen großen Vorteil. Kobiella: »Es ergeben sich unheimlich viele Synergieeffekte aus der ärztlichen Leitung und dem Dienst als Notarzt.« Die Ärztliche Leitung Rettungsdienst Kreis Gütersloh ist zuständig für Qualitätsmanagement und notfallmedizinische Fragen im Rettungsdienstbereich des Kreises Gütersloh. Sie koordiniert unter anderem die Aus- und Fortbildung der Rettungsdienstmitarbeitenden und begutachtet deren Arbeit. Obwohl der Kreis Gütersloh bereits im Jahre 2002 die Position des ÄLRD eingerichtet hatte, wurde dies erst 2015 zur gesetzlichen Pflicht. Mit dem Notfallsanitätergesetz fiel der Funktion neue Aufgaben zu: »Wir überprüfen die Arbeit der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter, insbesondere wenn es um vorab delegierte ärztliche Maßnahmen geht, wie beispielsweise die Verabreichung starker Schmerzmittel – das geschieht jeden Tag mehrfach«, erläutert Strickmann, der mit seinen beiden Stellvertretern auch dafür sorgt, dass Wissensstand und Können in den Rettungswachen auf einem einheitlichen Niveau sind. Durch die Verzahnung von Notarzt-Einsatztätigkeit und ärztlicher Leitung haben die drei den direkten Draht zu den Teams der Rettungswachen. Die Leistungskontrolle, erläutert Strickmann, könne praktisch in Einsatzpausen im Dienstzimmer erfolgen, dank elektronischer Einsatzprotokollierung bequem am Bildschirm. Der Leistungskontrolle hat der Gesetzgeber Gewicht verliehen, da die höher qualifizierten Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter deutlich mehr Entscheidungen selbst treffen können als die Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten früherer Tage.
 
Zu dritt gewährleistet das Team damit nicht nur die Qualität des Rettungsdienstes im unmittelbaren Zuständigkeitsbereich des Kreises mit seinen Rettungswachen in Halle (Westfalen), Harsewinkel, Herzebrock-Clarholz, Rietberg, Schloß Holte-Stukenbrock, Steinhagen, Verl und Versmold, sondern ist auch für das Rettungsdienstpersonal der Feuer- und Rettungswachen der Städte Gütersloh und Rheda-Wiedenbrück zuständig.

Notärztinnen und Notärzte, die für den Kreis Gütersloh in dessen Notarztpool tätig werden, versehen diese Dienste an den Notarztstandorten Halle (Westf.) und Harsewinkel. Montags bis freitags besetzt das Klinikum in Halle tagsüber das Notarzt-Einsatzfahrzeug, in den anderen Zeiten der Notarztpool, also Ärztinnen und Ärzte, die das nebenberuflich machen. »Es ist immer schwieriger geworden, den Dienstplan zu erstellen. Freiberufliche kann man nun mal nicht verpflichten.« Im Zweifelsfall sprang Strickmann selbst ein, kein Dauerzustand.
 
Die drei hauptamtlichen Rettungsdienst-Ärzte stehen einmal im Monat auch noch im Operationssaal, um den Bezug zu ihrer medizinischen Fachrichtung nicht zu verlieren. »Das dient dem Kompetenzerhalt«, erläutert Strickmann und nennt die Narkoseführung sowie die Atemwegssicherung als Beispiele. Strickmann, Deicke und Kobiella haben auch alle drei die Qualifikation zum Leitenden Notarzt, das ist der, der bei einem Großschadensereignis den »Hut« aufhat im medizinischen Sinn. Die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin tragen sie zudem. Fachliches Dauerthema bei dem Trio ist die Zukunft der Notfallversorgung. Betrug deren Anteil an den Gesamtkosten des Gesundheitssektors vor zehn Jahren ein Prozent, sind es inzwischen zwei Prozent.

Mit zunehmender Häufigkeit wird in Deutschland der Notruf 112 gewählt, durchaus auch für gesundheitliche Probleme, die sehr gut von den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten behandelt werden könnten. Das führt zu einem kontinuierlichen Anstieg der Einsatzzahlen, wobei die Zahl der Notfallpatientinnen und -patienten, die der Kompetenz des Rettungsdienstes bedürfen – beispielsweise aufgrund eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls – konstant geblieben ist.

Kobiella bringt internationale Erfahrung auf dem Gebiet mit. »In Rotterdam hatten wir einen behandlungsbedürftigen Patienten an Bord«, erzählt der ehemalige Schiffsarzt von seiner Kreuzfahrterfahrung. Der niederländische Notfallsanitäter kam an Bord, bestätigte, dass es ein Fall für das Krankenhaus ist und entschwand. Wie der Patient dort hingelangen soll, war seine Sache nicht. »In Deutschland hätte der Rettungswagen mit zwei Mann Besatzung an der Kaimauer gestanden.“«