Gütersloh (seh). Als der linke Arm plötzlich herunterfällt und ohne jegliche Kraft am Oberkörper hängt, gerät Stephan Böning in Panik. Trotz seiner Willensstärke reagiert die linke Körperhälfte nur noch geschwächt auf den Impuls sich zu bewegen. Der sportliche junge Mann hat keine Hoheit mehr über seinen Körper, kann aufgrund seiner Schmerzen nicht mehr arbeiten. Eine Situation, die den damals 34-jährigen Dachdecker anspornte sein Schicksal noch einmal selbst in die Hand zu nehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits eine Odyssee hinter sich, hatte sich mit zunehmender Verzweiflung verschiedenen Ärzten vorgestellt. Ohne Ergebnis oder hilfreichen Therapievorschlag. »Ich wurde mit meinen Symptomen nicht ernst genommen«, berichtet Böning. Erst Hasan Salheen, Leitender Oberarzt der Klinik für Orthopädie und Leiter der Wirbelsäulenchirurgie am Sankt-Elisabeth-Hospital, stellte die richtige und für das Alter ungewöhnliche Diagnose: Bandscheibenvorfall zwischen dem 6. und 7. Halswirbel – verbunden mit starken Schmerzen und beginnenden Lähmungserscheinungen. Das Vertrauen wuchs schnell, der Facharzt und sein Team zeigten Verständnis. »Wir nehmen uns viel Zeit, um eine korrekte Diagnose und die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten zu besprechen – das ist Vertrauenssache«, bestätigt Salheen, der seit vielen Jahren komplizierte Eingriffe an der Wirbelsäule vornimmt. Gemeinsam schöpften Arzt und Patient alle konservativen Therapien wie Gymnastik, Physiotherapie und Infiltration mittels schmerzstillenden Spritzen aus - nichts half langfristig. »Ich hatte Tag und Nacht Schmerzen, ohne meine Frau hätte ich das wohl nicht überstanden«, schildert Stephan Böning seinen damaligen Zustand. Schließlich empfahl ihm der zertifizierte Wirbelsäulenexperte eine Operation, die seine Schmerzfreiheit garantieren und die Beweglichkeit wieder herstellen sollte. »Er ist ein aktiver, junger Mann, der mitten im Leben steht und auch wieder arbeiten können muss, deshalb haben wir uns für die Implantation einer beweglichen Bandscheibenprothese entschieden«, erklärt Hasan Salheen, der in Bönings Fall von einer Versteifung der Wirbelgelenke abriet, um die Nachbarbandscheiben zu entlasten und langfristig zu schonen. »Für einen solchen Eingriff braucht man eine langjährige Ausbildung und eine sehr gute Kenntnis der Anatomie und Biomechanik«, berichtet Chefarzt Prof. Dr. Joern Michael, der Bönings Weg mitverfolgt hat. Operateur Salheen verschafft sich hierbei mikrochirurgisch und mikroskopisch unterstützt über die Halsseite einen Zugang zum betroffenen Wirbelsegment. Dabei passiert er sicher Halsschlagader und Speiseröhre. Er entfernt die natürliche Bandscheibe und platziert stattdessen eine Prothese aus Metall und Kunststoff zwischen die Wirbelkörper und verankert sie fest. Durch ihren besonderen Aufbau kann die Bandscheibenprothese die Bewegungen der Wirbelsäule mitmachen. Unmittelbar nach der OP waren Stephan Bönings Schmerzen gestillt, er konnte seinen linken Arm wieder mit voller Kraft bewegen. »Ein schöner Moment«, berichtet er. Danach folgte die Rehabilitation in Bad Oeynhausen und eine Umschulung zum Berufskraftfahrer. Wenn Stephan Böning heute mit seinem 40-Tonner Baumaterial ausliefert und mit ehemaligen Kollegen am Rande immer noch über die Dachdeckerzunft fachsimpeln kann, ist er zufrieden. Zurück in seinen alten Beruf und seinen Rücken täglich mit anstrengender Arbeit zu fordern, möchte und sollte er nicht mehr. »Meine Gesundheit geht vor, ich möchte nicht noch einmal solche Schmerzen erleben müssen«, sagt er. Jetzt, anderthalb Jahre nach der Operation, geht er täglich zum Kraftsport und denkt auch wieder über das Motorradfahren nach: »Ich habe alles richtig gemacht, ich bin wieder glücklich.«