Karl Kraus zum Kriege, außerdem Ausgleich und Quantenphysik

  • »Krieg – das ist zuerst die Hoffnung, daß es einem besser gehen wird, hierauf die Erwartung, daß es dem anderen schlechter gehen wird, dann die Genugtuung, daß es dem anderen auch nicht besser geht, und hernach die Überraschung, daß es beiden schlechter geht«, Karl Kraus.

Frieden – das ist zuerst die Hoffnung, dass es allen besser gehen wird, hierauf die Erwartung, dass es einem noch besser gehen möge, dass man besser sei, dann die Genugtuung, dass es einem besser geht als dem anderen, und hernach die Überraschung, dass es dem anderen auch besser gehen will … es folgt die Furcht, dass es einem schlechter gehen werde, ginge es dem anderen besser … hierauf erneut die Hoffnung, dass es einem besser gehen werde … et cetera …

Diese Hoffnungen und Erwartungen werden zudem geweckt und versprochen, ja garantiert.

Das Traurige ist, dass man nicht nur aus der Geschichte nicht lernt, man weiß noch nicht einmal, was man überhaupt lernen könnte.

  • »Frieden ist die Fortsetzung von Krieg mit anderen Mitteln.«

Kann man lernen, dass Krieg, Gewalt und Zerstörung nicht gut sind? Das kann man jederzeit wissen. Aber es ist den Leuten egal. Was man lernen könnte, ist, dass Interessen ausgeglichen und nicht durchgesetzt werden müssen. Sonst bestehen Spannungen. Das ist ein einfaches Naturgesetz. Offenbar zu einfach. Es gibt zum Ausgleich nur eine theoretische Alternative – die Eliminierung des anderen oder seiner Interessen. In der Natur gleichen sich Kräfte aus und finden ein Gleichgewicht.

In der Antike ahnte man das noch, es hieß »suum cuique«, ein Prinzip des Ausgleichs von Interessen, das natürlich hernach völlig missverstanden und missbraucht wurde.

Ebenfalls wusste man in der Antike, dass es ein unteilbares Kleinstes geben müsse. Eine einfache Herleitung der Quantelung von allem aus der reinen Logik. Die hernach missverstanden wurde (»Atome«), gefolgt vom Triumph der Moderne über die Antike (»Die dummen Griechen! Seht her! Wir können Atome doch spalten!«) …

Gemeint haben die Griechen gar nichts, aber erkannt, dass es so etwas geben müsse. Denn was ist, muss im mathematischen Sinne »abzählbar« sein. Das Einzige, das »überabzählbar«, also »nicht abzählbar« wäre, wäre alles. Nicht etwas Unendliches. Unendlich ist nicht alles. Wir erleben aber, dass weder nichts ist, noch, dass alles ist. Also muss, was ist, abzählbar sein, also muss es gequantelt sein.

Karl Kraus

Karl Kraus, geboren am 28. April 1874 in Jičín, Böhmen, Österreich-Ungarn, gestorben am 12. Juni 1936 in Wien, Österreich, war ein österreichischer Schriftsteller, Publizist, Satiriker, Lyriker, Aphoristiker, Dramatiker, Förderer junger Autoren, Sprachkritiker, Kulturkritiker und Medienkritiker. Zum Hauptwerk von Kraus gehören das Drama »Die letzten Tage der Menschheit« (1918) und die Zeitschrift »Die Fackel«, die er von 1899 bis 1936 herausgab.