Der Bundesverband Onlinehandel hat im Dezember 2020 gewerbliche Händler zu deren Beziehung und Zusammenarbeit mit Amazon befragt. Ãœber 1.600 Personen haben an der äußerst umfangreichen Umfrage teilgenommen und somit ergibt sich ein bisher nicht gekannter Einblick in Gepflogenheiten zwischen Amazon und den Händlern. Der Report umfasst Erkenntnisse aus mehr als 20 Themen- und Servicefeldern beim gewerblichen Verkaufen auf Amazon. Erstmals gibt es Zahlen zu der Zusammenarbeit mit Amazon sowie der Nutzung von diversen Services wie Buy Box, FBA (Fulfilment by Amazon), Prime durch Verkäufer (SFP), Amazon Pay und Händlersupport. Auch Maßnahmen wie Abmahnungen, Artikellöschungen, Paper-of-Action (POA), Geldeinbehalt und Kontosperrungen werden ausgiebig analysiert. Das Beratungsunternehmen p.digital gmbh wurde mit der Durchführung und Auswertung beauftragt. Die Ergebnisse können unter www.p.digital/shop erworben werden. Ãœber alle Themen zeigt sich, dass die Händler mit der Unterstützung durch Amazon äußerst unzufrieden sind. 78 Prozent der Händler sehen eine schwierige bis keine Partnerschaft. Maximal fünf Prozent der Händler erhalten eine zufriedenstellende Unterstützung durch den Händlersupport. Die Händler geben gleichzeitig an, durchschnittlich 51,2 Prozent des Unternehmensumsatzes durch Amazon zu erwirtschaften, wodurch die Abhängigkeit der Händler vom Geschäft auf Amazon deutlich wird. Bei Händlern, die mehr als fünf Jahre auf Amazon verkaufen steigt diese Abhängigkeit auf 55 Prozent. Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverband Onlinehandel meint dazu: »Die Händler, mit ihren durchschnittlich elf Mitarbeitern, haben ihre betriebliche Planung darauf ausgerichtet, dass die eingekauften Waren über Amazon verkauft werden. Wenn Amazon nun durch Artikellöschung, falscher Preisfehler-Sperrung, Vertriebsbeschränkung, Geldeinbehalt bis hin zu Kontosperrung den Verkauf unterbindet, muss es wenigstens möglich sein, von Amazon einen eindeutigen Grund zu erfahren und mit einem Mitarbeiter bei Amazon eine Lösung zu finden.« Die Ergebnisse zeigen deutlich, wie schwierig es ist, über Amazon erfolgreich zu verkaufen: Um die sogenannte Buy Box zu erhalten, geben die Händler an, dass der Verkaufspreis 22,3 Prozent günstiger sein muss als das vergleichbare Angebot vom Händler Amazon. 44 Prozent der Händler geben an, dass sie am Verkauf eines Markenproduktes gehindert werden, wobei 78 Prozent der Händler sagen, dass Amazon diese Verkaufsbeschränkung ausspricht. 80 Prozent der Händler haben auf Amazon schon Erfahrung mit Artikellöschungen gemacht und fast immer, wenn es um den Vorwurf des Verkaufs von Testern, Proben, gebrauchten Artikeln anstatt Neuware oder sogar Fake-Produkten geht, war dieser Vorwurf unberechtigt. Aus Sicht des BVOH ist der Umgang seitens Amazons mit sogenannten Preisfehlern ein sehr problematisches Vorgehen. Mehr als zwei Drittel der Händler geben an, dass Amazon nicht näher bekannte Algorithmen nutzt, um den Verkaufspreis vorzugeben. Mit sogenannten Niedrigpreis- bzw. Hochpreisfehlern drängt Amazon den Händler dazu, einen bestimmten Preis für das Angebot anzugeben. Präsident Oliver Prothmann sagt dazu: »Amazon wirkt kartellrechtswidrig auf die Freiheit der Preisgestaltung des Händlers ein. Ohne die Kenntnis zum Beispiel von Einkaufskonditionen, Kostenstruktur und Verfügbarkeit, die den Verkaufspreis beim Händler bestimmen, meint Amazon vorgeben zu können, was der Verkaufspreis sein soll. Dieser weitere Eingriff seitens Amazons in die Freiheit des Handels muss aufhören.« Die größte Bedrohung für einen Händler ist eine Kontosperrung. Fast ein Viertel der Händler geben an, dass in den vergangenen zwölf Monaten ihr Konto durch Amazon gesperrt wurde. Ãœber zwei Drittel der Händler haben erst am Tag der Sperrung davon erfahren und wurden nicht vorab von Amazon gewarnt. Diese und viele weitere Ergebnisse zeigen auf, dass Amazon kein rechtskonformes Handeln ermöglicht und auch, dass Amazon sich nicht an die Absprachen mit dem Bundeskartellamt (Juli 2019) sowie die EU Platform-to-business Verordnung (P2B-Verordnung) hält. Der Bundesverband Onlinehandel fordert Amazon auf, die Beziehung mit den Händlern zu reformieren und mit eindeutiger und klarer Kommunikation die geschäftliche Zusammenarbeit zu erneuern. Des Weiteren sollten alle Algorithmen überarbeitet werden, damit die Händler nur noch mit wirklichen Fehlleistungen konfrontiert werden. Drittens fordert der BVOH von Amazon, dass ein rechtskonformes Handeln auf Amazon möglich sein muss und überall, wo Amazon dieses nicht gewährleistet, Amazon selbst die Verantwortung übernimmt (Verursacherprinzip). Von der Bundesregierung fordert der BVOH eine Vollzugsbehörde zur Einhaltung von Gesetzen und Verordnungen wie zum Beispiel der P2B-Verordnung. Was helfen Gesetze, wenn sie nicht eingehalten werden?