Gütersloh, Cable Street Beat, Strictly Antifascist, 100 Kilo Herz und Drei Meter Feldweg, Parkbad Gütersloh, 19. November 2022

100 Kilo Herz

»Wenn es brennt, passen wir auf uns auf«, mit diesen Worten beendet die Leipziger Punkband mit Bläsern ihr 2. Album Stadt Land Flucht. Zwischen klaren linkspolitischen Statements gibt es dieses mal auch persönliche Themen, alles verpackt in dem bekannten Sound aus knackigem Punkrock und Ohrwurmmelodien von Saxophon und Trompete. Aufgenommen und bearbeitet wurde das Album im Winter 2019/2020 in einer Zeit, in der Rechter #Terror in vielen Teilen Deutschlands und das Versagen demokratischer Parteien in Thüringen den Themen auf Stadt Land Flucht einen sehr bitteren und brandaktuellen Hintergrund bieten.

Der Opener Drei Jahre ausgebrannt, der gleichzeitig als erste Single fungiert, ist wohl als lupenreines Punkrock und 100 Kilo Herz Stück zu bezeichnen. Kritik an der Gesellschaft und deren klassischen Alltagsrassismen und Alltagssexismen, die immer wieder als Scherze oder Missverständnisse entschuldigt werden. Dazu wohl eine der spielerischsten Bläsermelodien der Bandgeschichte und einer der bösesten Refrains der Band.

Direkt mit dem 2. Song Tresenfrist geht es in weniger klassische Gefilde. Hier wird ein kritischer Blick auf übermäßigen Alkoholkonsum geworfen, eine Problematik, die vor allem in der Punkszene sehr selten angesprochen wird (und vielleicht gerade deshalb wichtig ist).

Dieser Wechsel zwischen bekannten, aber neu gedachten und nicht so offensichtlichen Themen zieht sich durch das gesamte Album. Zwischen kritischen Blicken auf die gesamte und kleine Gesellschaft(en) (Drei vor fünf vor zwölf, … und aus den Boxen … But Alive) und Beobachtungen von zwischenmenschlichen Beziehungen (An Ampeln, Der Späti an der #Klinik) gibt es musikalisch und textlich gänzlich neue Haltepunkte in den Themen, die die Band hier anspricht. Hier ist vor allem Sowas wie ein Testament zu erwähnen. Musikalisch das wohl eingängiste Stück, wird im Kontrast dazu im Text eine Beerdigung geschildert. Auch Träume (Reprise) stellt als erste Ballade mit ebenfalls balladenuntypischem Liedtext eine Neuerung dar.

In die Dörfer zurück geht es in Nur für eine Nacht. Hierzu sagt Rodi, der Sänger der Band: »Obwohl es im Refrain heißt ›und so treiben wir, von Stadt zu Stadt‹ geht es dort vor allem um die Dörfer. Wir sind selbst dort aufgewachsen und kennen das Gefühl, für einen Abend viel Kraft durch Musik zu bekommen und danach wieder in den Alltag zurückzumüssen und die alten Kämpfe, auch gegen die heimischen faschistischen Strukturen, schlagen zu müssen. Jetzt standen und stehen wir selbst oft auf den Bühnen, die wir teilweise von früher kennen. Manchmal bekommen wir gesagt, dass wir den Menschen helfen. Aber es bleibt auch immer das Gefühl, sie mit dem Wegfahren wieder allein zu lassen.« Mehr …

Drei Meter Feldweg

Foto: Sonja Berg

Wie klingt eigentlich ein Feldweg? Man nehme einen runtergerockten Polo eines nicht mehr genau bestimmbaren Baujahres, der mit einer dem furchigen Untergrund absolut nicht angemessenen Geschwindigkeit durch die Walachei pflügt. Währenddessen leiert eine alte Kassette einer x beliebigen Kapelle viel zu laut durch die eingedrückten Boxen. Dazu scheppern im Weg liegende Äste, hochgeschleuderte Steine und Baumwurzeln unregelmäßig gegen die rostige Ölwanne. Irgendwo flattert erschrocken ein kleiner Waldkauz in die Nacht hinein.

Wer jetzt den Bandnamen Drei Meter Feldweg hört, befürchtet sicherlich das Schlimmste, doch vom schrammeligen Dorfpunk ihrer Anfangsjahre ist bis auf den Namen nichts mehr übrig – zwar kommen die 5 Jungs mitten aus der Lüneburger Heide, musikalisch schielen sie aber lieber nach Düsseldorf oder Berlin. Ihr Sound steht für modernen, energetischen und facettenreichen #Punkrock, getragen von eingängigen Melodien und mitreißenden Refrains, die das Publikum von Sekunde Eins an zum #Tanzen bringen.

Der Band gelingt es, in ihren Songs sowohl feucht-fröhliche Partystimmung zu verbreiten, als auch einen ernsteren Ton anzuschlagen und sich Themen wie dem immer stärker werdenden Rechtsruck in Deutschland, einer aufkommenden 2 Klassen Gesellschaft und gewöhnlichen Alltagssorgen zu widmen. Diese werden angenehm unkompliziert und direkt, oft mit einem Augenzwinkern oder überspitzt verarbeitet.

Im Laufe der Jahre haben sich Drei Meter Feldweg weit über die Grenzen ihrer lila blühenden Heimat hinaus einen festen Namen in der Szene erspielt und so stehen neben diversen Festival- und Clubshows mittlerweile auch Auftritte vor über 10.000 Zuschauern im Hamburger Volksparkstadion oder als Support von Größen wie Dritte Wahl oder Jaya The Cat auf der langen Liste der gespielten Konzerte.

Mit ihrem 4. Studioalbum Durak (erschienen am 26. August 2022 bei Dackelton Records, Broken Silence) pflügen Drei Meter Feldweg ab Herbst in ihrem runtergerockten Tourbus wieder über die Clubbühnen und Festivalbühnen der Republik. Mehr …

Samstag, 19. November 2022, 19 Uhr, Parkbad, Am Parkbad 7–9, 33332 Gütersloh, Vorverkauf 18 Euro, Abendkasse 24 Euro, Onlinetickets hier, Hardtickets bei Zig Zag, Blessenstätte, Gütersloh