Hinschauen statt Wegschauen! Welttag der sozialen Gerechtigkeit: Prälat Klasvogt fordert Haltung der Wertschätzung

»Das Leben kann so einfach und bequem sein. Man bestellt sein Essen über eine App und umgehend werden Pizza oder Veggie Burger frei Haus geliefert. Ebenso schnell sind die Buchbestellung oder Weihnachtsgeschenke auf dem Weg, ohne dass man sich überhaupt bewegen muss. Wer auf dem Weg ist: das sind die Fahrradboten und Paketzusteller. Die Ware wird frei Haus geliefert, zu (fast) jeder Tages- und Nachtzeit. Doch die sie liefern, die Fahrradkuriere oder Paketzusteller, arbeiten oft befristetet, in Teilzeit bis 20 Stunden in der Woche, als geringfügig Beschäftigte oder in Leiharbeit.

»In Krisenzeiten«, so der Zukunftsforscher Horst Opaschowski, »wandelt sich die Erlebnis zur Wohlfühlgesellschaft«, und man erwartet vom Staat, dass er die Bürger vor Not, Armut und Arbeitslosigkeit schützt und sozial absichert. Eine schöne Vision, doch die Gegenwart sieht anders aus. 7,3 Millionen Beschäftigte arbeiteten 2019 in Deutschland in einem atypischen Arbeitsverhältnis. Das ist mehr als jeder fünfte Beschäftigte. »Im Dienstleistungssektor«, so der Makrosoziologe Heinz Bude, »wächst ein schwer arbeitendes, aber chancenloses Proletariat«. Da braucht es mehr als nur einmal im Jahr einen »Welttag der sozialen Gerechtigkeit«, will man der sozialen Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken. Es braucht eine Haltung des Hinschauens und Wertschätzens: dass wir uns nicht mit sozialer Ungerechtigkeit zufrieden geben – damit die Moritat von Brecht nicht immer aufs Neue fortgeschrieben werden muss: »Denn die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht. Und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.«

Prälat Dr. Peter Klasvogt, Direktor des Sozialinstituts Kommende Dortmund