Ring aus kosmischem Staub verbirgt ein supermassereiches schwarzes Loch in einem aktiven galaktischen Kern

  • Dr. Markus Nielbock, Max-Planck-Institut für Astronomie

Mit Hilfe des Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der ESO hat eine Gruppe von Forschenden kosmischen Staub im Zentrum der Galaxie Messier 77 beobachtet, der ein aktives supermassereiches Schwarzes Loch verhüllt. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit, zu denen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) wesentlich beigetragen haben, bestätigen 30 Jahre alte Vorhersagen über die Natur aktiver galaktischer Kerne (AGN), die zu den hellsten und rätselhaftesten Objekten im Universum gehören. Diese Vorhersagen begünstigen ein Modell, das die unterschiedlichen Beobachtungsmerkmale von AGN als das Ergebnis verschiedener Blickwinkel auf dieselbe Grundkonfiguration erklärt.

Aktive galaktische Kerne (AGN) sind extrem energiereiche Quellen, die von supermassereichen Schwarzen Löchern angetrieben werden und sich im Zentrum bestimmter Galaxien befinden. Diese Schwarzen Löcher verschlingen große Mengen an kosmischem Staub und Gas. Dabei werden enorme Mengen an Energie freigesetzt, die oft alle Sterne in der Galaxie überstrahlen.

Astronomen und Astronominnen sind neugierig auf AGN, seit sie diese hellen Objekte in den 1950er Jahren zum ersten Mal entdeckten. Jetzt hat ein Forscherteam unter der Leitung von Violeta Gámez Rosas von der Universität Leiden in den Niederlanden zusammen mit Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) dank des VLTI der Europäischen Südsternwarte (ESO) einen entscheidenden Schritt getan, um zu verstehen, wie sie funktionieren und wie sie aus der Nähe aussehen. Die Ergebnisse werden heute in Nature veröffentlicht.

Durch außerordentlich detaillierte Beobachtungen des Zentrums der Galaxie Messier 77, auch bekannt als NGC 1068, entdeckte das Team einen dicken Ring aus kosmischem Staub und Gas, der ein supermassereiches Schwarzes Loch verbirgt. Diese Entdeckung liefert wichtige Belege für eine 30 Jahre alte Theorie, die als Vereinheitlichtes Modell für AGN bekannt ist.

Astronomen wissen, dass es verschiedene Arten von AGN gibt. Einige stoßen zum Beispiel starke Ausbrüche von Radiowellen aus, während andere ruhig sind. Bestimmte AGN leuchten hell im sichtbaren Licht, während andere, wie Messier 77, eher gedämpft sind. Das Vereinheitlichte Modell besagt, dass alle AGN trotz ihrer Unterschiede die gleiche Grundstruktur haben: ein supermassereiches Schwarzes Loch, das von einem dicken Ring aus Staub umgeben ist.

Diesem Modell zufolge können die Unterschiede im Erscheinungsbild der AGN auf die Ausrichtung zurückzuführen sein, mit der wir das teilweise verdeckte zentrale Schwarze Loch von der Erde aus betrachten. Die Art der AGN, die wir sehen, hängt davon ab, wie stark der Ring das Schwarze Loch aus unserer Sicht verschleiert und es in einigen Fällen vollständig verdeckt.

Astronomen hatten bereits zuvor einige Beweise für das Vereinheitlichte Modell gefunden, darunter die Entdeckung von warmem Staub im Zentrum von Messier 77. Es blieben jedoch Zweifel, ob dieser Staub ein Schwarzes Loch vollständig verbergen und somit erklären könnte, warum dieses AGN im sichtbaren Licht weniger hell leuchtet als andere. Durch die genaue Lokalisierung des Schwarzen Lochs und die detaillierte Untersuchung der Struktur des Staubrings um das Schwarze Loch haben die Astronomen den Beweis dafür gefunden, dass der Ring das Schwarze Loch vollständig verdeckt, wie es das Vereinheitlichte Modell vorhersagt.

»Die tatsächliche Natur der Staubwolken und ihre Rolle bei der Versorgung des Schwarzen Lochs und bei der Bestimmung seines Aussehens von der Erde aus waren in den letzten drei Jahrzehnten zentrale Fragen in der AGN Forschung«, erklärt Gámez Rosas. »Auch wenn kein einzelnes Ergebnis alle Fragen klären kann, haben wir einen wichtigen Schritt zum Verständnis der Funktionsweise von AGN gemacht.«

Die Beobachtungen wurden dank des Multi AperTure mid-Infrared SpectroScopic Experiment (MATISSE) ermöglicht, das am VLTI der ESO in der chilenischen Atacama-Wüste angebracht ist. MATISSE kombinierte das von allen vier 8,2-Meter-Teleskopen des Very Large Telescope (VLT) der ESO gesammelte Infrarotlicht mit einer Technik namens Interferometrie. Das Team nutzte MATISSE, um das Zentrum von Messier 77, das sich in 47 Millionen Lichtjahren Entfernung im Sternbild Cetus befindet, bei verschiedenen Wellenlängen abzutasten, um ein detailliertes Bild des Staubrings zu erstellen.

Jacob Isbell vom MPIA, der Zweitautor der zugrundeliegenden Veröffentlichung, leitete entscheidende Arbeiten der Bildanalyse dieser neuen interferometrischen Daten. Er fügt hinzu: »Jetzt haben wir alle Werkzeuge in der Hand, um das AGN-Phänomen mit noch nie dagewesener räumlicher Detailgenauigkeit zu untersuchen.«

Thomas Henning, Mitautor und Direktor des MPIA, betont: »Das Max-Planck-Institut für Astronomie hat eine wichtige Rolle beim Bau des MATISSE-Instruments gespielt. Jetzt können wir zum ersten Mal Bilder im thermischen Infrarot mit einer um den Faktor 10 höheren räumlichen Auflösung aufnehmen, als dies bisher möglich war. Diese verbesserte Leistung war entscheidend für die Bestätigung der früheren Annahme, dass das AGN von Messier 77 tatsächlich von einem Staubtorus umgeben ist.«

Durch die Kombination der durch die intensive Strahlung des Schwarzen Lochs verursachten Änderungen der Staubtemperatur (von etwa Raumtemperatur auf etwa 1200 °C) mit den Absorptionskarten konnte das Team ein detailliertes Bild des Staubs erstellen und genau feststellen, wo das Schwarze Loch liegen muss. Ein dicker innerer Ring und eine ausgedehntere Scheibe mit dem Schwarzen Loch in der Mitte unterstützen das Vereinheitlichte Modell. Das Team verwendete zudem Daten des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) und des Very Long Baseline Array des National Radio Astronomy Observatory, um ihr Bild zu erstellen.

Klaus Meisenheimer, der die Konstruktion von MATISSE am MPIA leitete, fügt hinzu: »Die Auflösung der Staubverteilung in den Kernen naher aktiver Galaxien war mein jahrzehntelanger Traum, der mit dem Bau von MATISSE endlich wahr wurde.« Das gesamte MPIA-Team, darunter auch Co-Autor Jörg-Uwe Pott, untersucht derzeit mehrere solcher AGN, um die Staubmorphologie dieser rätselhaften Quellen systematisch einzugrenzen.

»Unsere Ergebnisse sollten zu einem besseren Verständnis des Innenlebens von AGN führen«, schließt Gámez Rosas. »Sie könnten uns auch helfen, die Geschichte der Milchstraße besser zu verstehen, die in ihrem Zentrum ein supermassereiches Schwarzes Loch beherbergt, das in der Vergangenheit aktiv gewesen sein könnte.«

Die Forscher wollen nun das VLTI der ESO nutzen, um weitere Belege für das Vereinheitlichte Modell für AGNs zu finden, indem sie eine größere Anzahl von Galaxien untersuchen. Das Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das noch in diesem Jahrzehnt mit der Beobachtung beginnen soll, wird die Suche ebenfalls unterstützen. Es wird Ergebnisse liefern, die die Erkenntnisse des Teams ergänzen und es ihnen ermöglichen, die Wechselwirkung zwischen AGNs und Galaxien zu untersuchen.

Weitere Informationen

Das Team besteht aus Violeta Gámez Rosas (Observatorium Leiden, Universität Leiden, Niederlande [Leiden]), Jacob W. Isbell (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, Deutschland [MPIA]), Walter Jaffe (Leiden), Romain G. Petrov (Université Côte d'Azur, Observatoire de la Côte d'Azur, CNRS, Laboratoire Lagrange, Frankreich [OCA]), James H. Leftley (OCA), Karl-Heinz Hofmann (Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn, Deutschland [MPIfR]), Florentin Millour (OCA), Leonard Burtscher (Leiden), Klaus Meisenheimer (MPIA), Anthony Meilland (OCA), Laurens B.F.M. Waters (Abteilung für Astrophysik/IMAPP, Radboud Universität, Niederlande; SRON, Niederländisches Institut für Weltraumforschung, Niederlande), Bruno Lopez (OCA), Stéphane Lagarde (OCA), Gerd Weigelt (MPIfR), Philippe Berio (OCA), Fatme Allouche (OCA), Sylvie Robbe-Dubois (OCA), Pierre Cruzalèbes (OCA), Felix Bettonvil (ASTRON, Dwingeloo, Niederlande [ASTRON]), Thomas Henning (MPIA), Jean-Charles Augereau (Univ. Grenoble Alpes, CNRS, Institut für Planetenwissenschaften und Astrophysik, Frankreich [IPAG]), Pierre Antonelli (OCA), Udo Beckmann (MPIfR), Roy van Boekel (MPIA), Philippe Bendjoya (OCA), William C. Danchi (NASA Goddard Space Flight Center, Greenbelt, USA), Carsten Dominik (Anton Pannekoek Institute for Astronomy, Universität Amsterdam, Niederlande [API]), Julien Drevon (OCA), Jack F. Gallimore (Department of Physics and Astronomy, Bucknell University, Lewisburg, Pennsylvania, USA), Uwe Graser (MPIA), Matthias Heininger (MPIfR), Vincent Hocdé (OCA), Michiel Hogerheijde (Leiden; API), Josef Hron (Department of Astrophysics, Universität Wien, Österreich), Caterina M.V. Impellizzeri (Leiden), Lucia Klarmann (MPIA), Elena Kokoulina (OCA), Lucas Labadie (1. Physikalisches Institut, Universität Köln, Deutschland), Michael Lehmitz (MPIA), Alexis Matter (OCA), Claudia Paladini (Europäische Südsternwarte, Santiago, Chile [ESO-Chile]), Eric Pantin (Centre d'Etudes de Saclay, Gif-sur-Yvette, Frankreich), Jörg-Uwe Pott (MPIA), Dieter Schertl (MPIfR), Anthony Soulain (Sydney Institute for Astronomy, University of Sydney, Australien [SIfA]), Philippe Stee (OCA), Konrad Tristram (ESO-Chile), Jozsef Varga (Leiden), Julien Woillez (Europäische Südsternwarte, Garching bei München, Deutschland [ESO]), Sebastian Wolf (Institut für Theoretische Physik und Astrophysik, Universität Kiel, Deutschland), Gideon Yoffe (MPIA), und Gerard Zins (ESO-Chile).

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