Finanzgericht Münster: Teleologische Reduktion des sogenannten »Einstiegstests« nach Paragraph 13 b Absatz 2 Satz 2 ErbStG bei der Ãœbertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften

Der 3. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 24.11.2021 (Aktenzeichen 3 K 2174/19 Erb) entschieden, dass bei der Ãœbertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen die Regelung des Paragraphen 13 b Absatz 2 Satz 2 ErbStG im Wege teleologischer Reduktion dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass sie nicht zur Anwendung kommt, wenn die betreffende Kapitalgesellschaft ihrem Hauptzweck nach einer Tätigkeit im Sinne des Paragraphen 13 Absatz 1, des Paragraph 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bzw. des Paragraph 18 Absatz 1 Nummer 1 und 2 EStG dient. Paragraph 13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG regelt den sogenannten »Einstiegstest«: Danach ist die Inanspruchnahme der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen von vornherein ausgeschlossen, wenn der nach dieser Vorschrift modifizierte Wert des Verwaltungsvermögens mindestens 90 vom Hundert des gemeinen Werts des grundsätzlich begünstigungsfähigen Vermögens beträgt.

Der Vater der Klägerin des Streitfalls schenkte dieser im Jahr 2017 alle Anteile an einer GmbH, die ein Unternehmen für den Vertrieb von Arzneimitteln und Medizinprodukten betrieb und auch forschend tätig war. Das Geschäftsleitungsfinanzamt stellte den Wert der Anteile an der GmbH auf 555.975 Euroo, die Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel auf 2.517.649 Euro, die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens auf 0 Euro und die Summe der gemeinen Werte der Schulden auf 3.138.504 Euro fest. Der Beklagte versagte wegen des sog. Einstiegstests die Begünstigungen gemäß Paragraph 13 a Absatz 1 und Absatz 2 ErbStG.

Der hiergegen erhobenen Klage hat der 3. Senat des Finanzgerichts Münster stattgegeben. Zwar sei im Streitfall nach dem Wortlaut des Paragraph 1 3b Absatz 2 Satz 2 ErbStG die begehrte Begünstigung für Betriebsvermögen vollständig ausgeschlossen, denn das Verwaltungsvermögen von 0 Euro zzgl. der Finanzmittel von 2.577.649 Euro betrage mehr als 90 vom Hundert des auf 555.975 Euro festgestellten gemeinen Wertes der übertragenen Anteile an der inländischen GmbH. Die Vorschrift sei aber ihrem Normzweck entsprechend im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend einschränkend auszulegen, dass der sog. Einstiegstest dann nicht zur Anwendung komme, wenn die Kapitalgesellschaft, deren Anteile übertragen würden, ihrem Hauptzweck nach einer Tätigkeit im Sinne des #Paragraph 13 Absatz 1, des Paragraph 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, des Paragraph 18 Absatz 1 Nummer 1 und 2 EStG diene. Im Streitfall sei der Hauptzweck der Tätigkeit der GmbH ein originär gewerblicher, weshalb der sog. Einstiegstest zu unterbleiben habe. Dabei stützt sich der 3. Senat insbesondere darauf, dass es sich bei dem »Einstiegstest« nach seinem Sinn und Zweck um einen speziellen Missbrauchsvermeidungstatbestand handele. Es solle solches begünstigungsfähiges Vermögen von der Verschonung ausgenommen sein, das nahezu ausschließlich aus Verwaltungsvermögen bestehe. Gehe die Kapitalgesellschaft aber ihrem Hauptzweck nach einer Tätigkeit im Sinne des Paragraph 13 Absatz 1, des Paragraphen 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 beziehungsweise des Paragraphen 18 Absatz 1 Nummer 1 und 2 nach, bestehe keine Missbrauchsgefahr. Dies gelte insbesondere für #Handels und Dienstleistungsunternehmen, wie es die GmbH der Klägerin betreibe, die typischerweise einen vergleichsweise hohen Bestand an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen aus ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit hätten. Im Gegenteil würden durch eine uneingeschränkte Anwendung des Einstiegstests für solche Unternehmen Anreize gesetzt, entgegen ihrem gewachsenen und üblichen Geschäftsmodell Ausweichgestaltungen oder betriebswirtschaftlich nicht sinnvolle beziehungsweise nachteilige Vorgehensweisen zu wählen, um einen positiven Einstiegstest zu erreichen. Eine teleologische Reduktion des Paragraph 13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG in der Weise, dass danach unterschieden werde, welchem Hauptzweck die Tätigkeit der betreffenden Kapitalgesellschaft diene, sei schließlich auch durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikels 3 Absatz 1 GG geboten.