Wiesbaden (ots) Die Corona-Krise hat nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im ersten Halbjahr 2021 zu einem Finanzierungsdefizit des Staates von 80,9 Milliarden Euro geführt. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in jeweiligen Preisen errechnet sich für das ersten Halbjahr 2021 eine Defizitquote von 4,7 Prozent.

»Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie belasten die Staatsfinanzen weiterhin stark. Sie haben zum zweithöchsten Defizit in einer ersten Jahreshälfte seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1991 geführt«, sagt Stefan Hauf, Leiter der Gruppe »Nationaleinkommen, Sektorkonten, Erwerbstätigkeit« im Statistischen Bundesamt. »Ein höheres Defizit gab es nur im ersten Halbjahr 1995, als die Treuhandschulden in den Staatshaushalt übernommen wurden«, erläutert Hauf weiter.

Bei den Ergebnissen handelt es sich um Daten in der Abgrenzung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) 2010. Sie bilden die Grundlage für die Überwachung der Haushaltslage in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) nach dem Stabilitäts- und Wachstumspakt (Maastricht-Kriterien). Aus den Ergebnissen für das erste Halbjahr lassen sich generell nur begrenzt Rückschlüsse auf das Jahresergebnis ziehen. Dies wird aktuell noch verstärkt durch die Unsicherheiten bei der Entwicklung der Corona-Pandemie.

Einnahmen steigen um 3,1 Prozent, Ausgaben um 6,9 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2020

Das Finanzierungsdefizit des Staates ergibt sich aus der Differenz zwischen Einnahmen in Höhe von 798,3 Milliarden Euro und Ausgaben in Höhe von 879,2 Milliarden Euro. Der im Vergleich zur Steigerung der Einnahmen um 3,1 Prozent wesentlich stärkere Anstieg der Ausgaben um 6,9 Prozent führte im ersten Halbjahr 2021 zu einem deutlich höheren Defizit als im ersten Halbjahr 2020 (47,8 Milliarden Euro).

Bund verzeichnet mit 67,0 Milliarden Euro das größte Finanzierungsdefizit

Im ersten Halbjahr 2021 wiesen alle staatlichen Ebenen ein Finanzierungsdefizit auf. Das größte Defizit ergab sich beim Bund mit 67,0 Milliarden Euro, dieses war mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahreszeitraum (26,9 Milliarden Euro). Die Sozialversicherung erzielte ein Minus von 10,2 Milliarden Euro, bei Ländern (3,1 Milliarden Euro) und Gemeinden (0,6 Milliarden Euro) war das Defizit vergleichsweise gering.

Basiseffekt: Steuereinnahmen und Sozialbeiträge steigen im Vorjahresvergleich

Die Steuereinnahmen, die rund die Hälfte der gesamten Einnahmen des Staates ausmachen, sind im ersten Halbjahr 2021 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 4,3 Prozent gestiegen, nachdem sie im ersten Halbjahr 2020 um 6,1 Prozent eingebrochen waren. Damit nahm der Staat im ersten Halbjahr 2021 aber noch 2,1 Prozent weniger Steuern ein als im ersten Halbjahr des Vorkrisenjahres 2019.

Der Zuwachs bei den Einkommen- und Vermögensteuern war im ersten Halbjahr 2021 mit plus 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum etwas stärker als bei den Produktions- und Importabgaben mit plus vier Prozent. Die Sozialbeiträge erhöhten sich um 3,4 Prozent. Dagegen sanken die Einnahmen des Staates aus Zinsen und empfangenen Ausschüttungen um 37,9 Prozent, insbesondere deswegen, weil die Deutsche Bundesbank im Gegensatz zum Vorjahr keinen Gewinn ausgeschüttet hat.

Staatliche Konjunkturhilfen tragen maßgeblich zum Defizit bei

Zum Anstieg der Ausgaben des Staates trugen maßgeblich die Ausgaben für Corona-Überbrückungshilfen, für Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser, für Impfstoffe und Schutzausrüstung sowie für Kurzarbeitergeld und Kinderbonus bei. Diese Maßnahmen spiegeln sich im Anstieg der Subventionen (plus 44,4 Prozent), der Vorleistungen (plus 6,6 Prozent) und der monetären Sozialleistungen (plus 6,2 Prozent) wider. Die Zinsausgaben des Staates waren dagegen weiter rückläufig und sanken um 10,7 Prozent. Die Bruttoinvestitionen des Staates waren um 2,7 Prozent niedriger als im ersten Halbjahr 2020.

Weitere Informationen

Das europäische Statistikamt Eurostat stellt in seinem Internetangebot Angaben zu den europäischen Staatsfinanzen zur Verfügung.

Aktuelle Angaben zum Konjunkturprogramm der Bundesregierung zur Bewältigung der Corona-Krise und viele weitere Indikatoren zu den Themenbereichen Wirtschaft und Finanzen sowie Gesundheit und Mobilität bietet das Datenportal »Dashboard Deutschland« des Statistischen Bundesamtes.

Methodische Hinweise

Die Gewährung von Krediten, Bürgschaften oder Garantien hat grundsätzlich keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Finanzierungssaldo des Staates in Abgrenzung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 2010). Diese werden in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nur dann defizitwirksam gebucht, wenn ein Ausfall eines Kredits, einer Bürgschaft oder einer Garantie feststeht.

Die größeren Unsicherheiten aufgrund der Corona-Krise können in allen Bereichen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zu stärkeren Revisionen als sonst üblich führen.