Frankfurt (ots) Es ist ein Trauerspiel. Wieder einmal musste das Bundesverfassungsgericht eingreifen, weil Regierungen und Gesetzgeber in Bund und Ländern untätig blieben. Der Zins für Steuernachzahlungen und -erstattungen ist eindeutig zu hoch. In einer Zeit, in der sich der Bund zu Negativzinsen verschuldet und Banken Strafzinsen auf Einlagen zahlen, verlangt der Staat einen viel zu hohen Zins von sechs Prozent.

Schon bei Grundsteuer und Erbschaftsteuer mussten Steuerpflichtige erst die Gerichte anrufen, bevor Karlsruhe den Gesetzgeber zwang, offenkundige Missstände abzustellen. Die umstrittene Kernbrennstoffsteuer kassierten die höchsten Richter 2017 und ordneten die Rückzahlung der Einnahmen aus sechs Jahren an. Der Finanzamtszins wurde dort zum Bumerang für den Staat, denn auch die Erstattung wurde hoch verzinst.

Per saldo war vor der Coronazeit mit Steuerstundungen der hohe Finanzamtszins ein gutes Geschäft für den Staat. Im Jahr brachte er unter dem Strich rund eine Milliarde Euro ein. Für Unternehmen ist der realitätsferne Zins hingegen ein großes Ärgernis. Auslegungsfragen in viel zu späten Betriebsprüfungen durch die Finanzämter führen zu Nachzahlungen, bei denen der Zins die Steuerschuld oft übersteigt. Ein Staat, der nicht zeitnah prüft, darf nicht das Vertrauen in ihn auch noch mit überzogenen Strafzinsen erschüttern.

Eine Neuregelung ist auch deshalb überfällig, weil die marktferne Verzinsung zu Fehlanreizen bei der Unternehmensbilanzierung geführt hat. Die Firmen können über Bildung und Auflösung von Rückstellungen im Konzert mit den verspäteten Betriebsprüfungen vom Staat hochverzinste Erstattungen erwirken. Auch dem gehört ein Ende gesetzt.

Der Vorschlag der Union im Bundestag und unter anderem aus Hessen, den Steuersatz zu halbieren, greift zu kurz. Nötig ist mindestens auch ein verpflichtender Mechanismus, um den Zinssatz regelmäßig zu überprüfen und anzupassen. Noch besser wäre ein Automatismus über einen variablen Satz, der an eine Referenzgröße geknüpft wird. Die Erfahrung zeigt, dass der Gesetzgeber nicht aktiv wird, wenn er nicht muss.

Die Gelegenheit ist günstig, auch andere gesetzliche Zinsen marktgerecht anzupassen. Bei den Pensionsrückstellungen, die in einer Niedrigzinsphase Unternehmen mit erheblichen Zuführungen belasten, laviert sich der Gesetzgeber bislang mit kleinen Korrekturen durch. Nötig wäre es, der Realität ins Auge zu blicken. Die lang anhaltende Politik niedriger Zinsen ist nicht mit Retuschen zu reparieren.