Berlin (ots) Bei der Bewachung von Berliner Flüchtlingsheimen sind nach RBB-Recherchen kriminelle Netzwerke aus privaten Sicherheitsunternehmen aktiv, die die öffentliche Hand seit Jahren durch Scheinrechnungen und Abrechnungsbetrug schädigen. Ãœber ein ganzes Geflecht an Subunternehmen stellen sich die Firmen gegenseitig Scheinrechnungen aus und unterlaufen systematisch behördliche Kontrollen. Axel Osmenda, Fachgebietsleiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Hauptzollamt Berlin, bestätigte in einem Interview mit »rbb24 Recherche« die Existenz solcher Netzwerke: »Da gibt es ganze Unternehmensstrukturen, die einzig und allein zu dem Zweck gegründet werden, Scheinrechnungen zu legen«, sagte Osmenda. Ãœber die Jahre betrachtet habe der Zoll festgestellt, dass dieses Phänomen im Sicherheitsgewerbe zugenommen hat. Nach RBB-Recherchen gibt es mindestens zwei bekannte Netzwerke, zu denen rund 30 Firmen aus dem Sicherheitsgewerbe gehören. Mit ständig wechselnden Geschäftsadressen, dem Einsetzen von Strohmännern als Geschäftsführer und dem Gründen und schnellen Liquidieren von Unternehmen haben diese Netzwerke eine Verschleierungstaktik entwickelt, die eine Kontrolle erheblich erschwert. Das Landeskriminalamt Berlin bestätigt dem RBB auf Nachfrage dieses »immer wieder festgestellte Phänomen«. Die Sicherheitsunternehmen betrügen nach RBB-Recherchen auf vielfältige Weise. So belegen Dokumente, die dem RBB vorliegen, dass in den vergangenen Jahren in zahlreichen Berliner Flüchtlingsunterkünften immer wieder Wachleute eingesetzt wurden, die nicht über die fachlichen Voraussetzungen oder die vorgeschriebenen Zuverlässigkeitsnachweise verfügten. Zudem wurde systematisch mehr Personal abgerechnet, als in den Heimen zum Einsatz kam. Viele Wachleute werden darüber hinaus schwarz bezahlt, vorbei am Finanzamt und den Sozialversicherungen. Das berichten Branchen-Insider und legen Lohnabrechnungen eines Sicherheitsunternehmens nahe, die dem RBB vorliegen: danach wohnten in einem Fall alle in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft tätigen Wachleute in der nicht existenten »Musterstraße 1« und erhielten ihre Löhne in bar. Im Hintergrund dieser Netzwerke, so die RBB-Recherchen, agieren offenbar immer die gleichen Hintermänner. Das Landeskriminalamt bestätigt auf RBB-Nachfrage Bezüge solcher Strukturen zur Organisierten Kriminalität. Einige der Sicherheitsfirmen sollen nach Aussage der Berliner Polizei Mitgliedern des so genannten Clan-Milieus gehören. Rund 150 Millionen Euro gab das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) seit 2017 für die Bewachung der Flüchtlingsunterkünfte in Berlin an private Sicherheitsfirmen aus. Die Behörde ist zuständig für 81 Flüchtlingsunterkünfte. Die als Fachaufsicht für das LAF zuständige Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales erklärt in einer Stellungnahme, es seien zwar Missstände bekannt, aber die Senatsverwaltung habe keine Kenntnis von systematischem Betrug. Die Behörde verweist auf ihre umfangreichen Kontrollmechanismen, die Einrichtung einer Beschwerdestelle und eine neue Vertragsgestaltung seit November 2020.