Anlässlich der heutigen Anhörung im Europäischen Parlament zu Unternehmenspraktiken des US-Konzerns Amazon in Europa erhebt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (»ver.di«) schwere Vorwürfe gegen den Handelsriesen. »Die Betriebspolitik bei Amazon ist gekennzeichnet durch eine aggressive Strategie innerbetrieblicher Kontrolle, die immer wieder auch Profiling und Datenschutzverstöße beinhaltet«, so Orhan Akman, »ver.di«-Bundesfachgruppenleiter für den Einzel- und Versandhandel. Konkret wirft ver.di dem Konzern vor, mittels Künstlicher Intelligenz und digitaler Prozesse die Beschäftigten rund um die Uhr zu scannen. »Amazon-Beschäftigte in Deutschland klagen darüber, dass jeder ihrer Arbeitsschritte durch den Einsatz entsprechender Software getrackt würde«, so Akman. Visuelle oder akustische Signale sorgten permanent dafür, dass die Unternehmenskontrolle immer wieder ins Bewusstsein gerufen werde: »Rot heißt: Der Beschäftigte ist inaktiv. Auch wenn es um eine minimale Arbeitsunterbrechung geht, werden Beschäftigte angesprochen«, berichtet der Gewerkschafter. Jeder kleinste Fehler habe ein sogenanntes Feedback zur Folge. Außerdem seien alle Scanner standardmäßig mit Mikrofonen ausgestattet, berichteten die Beschäftigten. Zwar bestritten die konzerninternen Datenschützer das Abhören durch die installierten Mikrofone, doch Akman fürchtet, die Optimierung des Arbeitsprozesses fiele am Ende extrem zu Lasten der Beschäftigten aus. »Durch den Einsatz von Kameras, Mikrofonen und Scannern werden die Beschäftigten zu gläsernen Menschen. Das macht enormen psychischen Druck und vor allem krank«, sagt der Gewerkschafter. Möglich seien derartige Auswüchse, weil »ver.di« und Betriebsräte nicht in die Digitalisierungsprozesse am Arbeitsplatz einbezogen würden. »Wir brauchen klare Regeln für die Entwicklung und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Algorithmen am Arbeitsplatz, damit digitale Prozesse im Betrieb nicht gegen fundamentale Interessen und Rechte der Beschäftigten zum Einsatz kommen. Nur so können wir gute Arbeit und gesunde Arbeitsbedingungen sichern«, so Akman. Das Europäische Parlament müsse dafür sorgen, dass in allen europäischen Ländern gleiche Standards herrschten, damit die Beschäftigten nicht gegeneinander ausgespielt würden. »Nur, weil der Konzern zuletzt einen Umsatz von 386 Milliarden US-Dollar und einen Nettogewinn von jährlich mehr als 21 Milliarden US-Dollar hat – und damit mehr Finanzkraft als viele Nationalstaaten – darf Amazon nicht als Staat im Staate auftreten«, so Akman.