In Stresssituationen, in denen unser Leben bedroht ist, verfügen wir über einen sehr leistungsfähigen Schutzmechanismus, ein automatisiertes System in unserem Gehirn, das wirkt, noch bevor wir in der Lage, bewusst zu handeln. Dieses System hat uns im Laufe der Jahrmillionen der Evolution vor Raubtieren und unmittelbaren Gefahren geschützt. Obwohl es sehr gut funktioniert, hat es aber auch Mängel. »Hallo« sagen zur Amygdala Die Amygdala ist in den Tiefen des menschlichen Gehirns verborgen und hat sich vor dem Neokortex, dem »denkenden« Teil des Gehirns, entwickelt. Sie ist Teil des limbischen Systems, und ihr Zweck ist es, emotionale Reaktionen wie Angst oder Aggressionen zu regulieren. Da das limbische System und die Amygdala, die evolutionär älter als die Großhirnrinde sind, haben sie Priorität im Umgang mit sehr gefährlichen Situationen. Ein tragisches Beispiel dafür ist die Geschichte von Matilda Crabtree. 1994 wollte die 14-jährige Matilda ihren Eltern einen Streich spielen. Als ihr Vater Bobby und ihre Mutter spät nachts nach Hause kamen, dachten sie, Matilda sei bei einer Freundin zu Besuche. Bobby hörte Lärm von oben. Matilda hatte sich im Schrank versteckt, um ihre Eltern zu erschrecken. Bobby ging nach oben, nahm sein Gewehr und ging in Matilda Schlafzimmer. Als sie aus dem Schrank sprang, drückte Bobby den Abzug. Matilda starb zwölf Stunden später. Bobbys Angst hat ihn beherrscht und seinen Körper handelte, bevor er sich dessen bewusst wurde, was er tat. Es geht hier um Millisekunden, die einen Unterschied machen können. Bobby Crabtree wurde nicht bestraft, weil es ein tragischer Unfall war. Allerdings kann man sich leicht den Schmerz vorstellen, mit dem dieser Vater leben muss. Der Mechanismus der Angst Die Frontallappen als Teil des Neokortex sind verantwortlich für bewusste und rationale Entscheidungsprozessen. Die ist Amygdala doppelt so schnell wie die Stirnlappen, was manchmal irreführend sein kann. Der Zweck der Amygdala ist der Schutz, egal was passiert. Man geht davon aus, dass das menschliche Gehirn auf bestimmte Reaktionenprogrammiert ist – beispielsweise die Angst vor dem Ersticken, dem Ertrinken, vor Höhen und selbst die Angst vor der Öffentlichkeit zu sprechen. Wann immer wir tatsächlich oder vermeintlich in Gefahr geraten, wird als erstes der Mandelkern aktiv. Er sendet Signale an den Hippocampus, einen weiteren Teil des limbischen Systems, der seinerseits für die Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin sorgt. Diese Stresshormone bereiten unser Körper auf den Kampf oderdie Fluchtreaktion vor. Auf diese Weise wird die gesamte verfügbare Energie für den Kampf in die Arme oder zur Flucht in die Beine geleitet. Die »Big Four« Mitglieder der US Navy Sea, Air, Land Teams sind oft mit lebensbedrohlichen Situationen konfrontiert, und um erfolgreich zu sein, müssen sie ihre Ängste effektiv unterdrücken können. Es hat sich gezeigt, dass man die Zeit minimieren kann, bevor der Angststimulus den frontalen Kortex erreicht, sodass die Entscheidung bewusster stattfinden können. Das bedeutet, dass die Reaktion des frontalen Kortex zeitlich so nah wie möglich an der Reaktion der Amygdala liegen sollte. Navy-Seals sind geschult, ihre mentale Stärke zu steuern, um ihre Ängste zu unterdrücken und in geeigneter Weise auf panikauslösende Situationen reagieren zu können. Die Technik wird als die »Big Four« bezeichnet … 1. Zielsetzung Wenn Sie in einer Stresssituation sind, »feuert« Ihre Amygdala wie verrückt. Emotionen, Angst, Stress – es ist ein totales Chaos. Die Frontallappen können dem durch das Setzen von Zielen eine Struktur geben. Sie können die Amygdala zügeln. Die Seals denken oft an ihre Freunde, Familie, Religion und andere wichtige Dinge aus ihrem Leben. Der entscheidende Punkt ist, etwas Positives in der Zukunft zu sehen (möglichst in der nahen Zukunft), das als Anker für innere Gleichgewicht dient. 2. Visualisierung Mit Visualisierungen ist man besser auf reale Situationen vorbereitet. Nehmen wir zum Beispiel, Michael Phelps: Nur wenige Menschen wissen, dass seine Ausbildung verrückt ist. Charles Duhigg berichtet in seinem Buch »Die Macht der Gewohnheit«, dass Phelps während seiner Ausbildung die gleiche Routine immer und immer wieder mit der Präzision einer Atomuhr visualisiert hat. Das Olympia-Schwimmbad, das Aufsetzen der Schutzbrille, das Betreten des Sprungbretts, den Sprung, den ersten Kontakt mit dem Wasser, jede Handbewegung – all das so detailliert, dass er sie auswendig koordinieren konnte. Sie waren ein Teil von ihm. Phelps Trainer ankerte diese Routine mit dem Stichwort »Track«. So hat er Michael mit allen denkbaren Szenarien konfrontiert, schon bevor sie stattgefunden haben. Es war der Tag der Endrunde des 200-Meter-Schmetterlingslaufs bei den Olympischen Spielen in Peking. Als Phelps Trainer in die Schwimmarena kam, schrie er ihm das Stichwort »Track« zu. Michael war bereits der Sieger. Er war schon vor dem Einstieg ins Becken der Gewinner. Alles war an seinem Platz, er kannte alles: das Sprungbrett, das Wasser, die Handbewegungen. Aber etwas stimmte nicht: Wasser drang in seine Brille ein. Er konnte nichts sehen. Allerdings wurde Phelps darauf geschult. Er hatte bereits ein Szenario im Sinn, als das geschah. Die Sicht war kein Problem für ihn, weil er auswendig wusste, wie viele Handbewegungen er bis zum Ende des Beckens brauchte. Er spielte den »Track«, und erstaunlicherweise gewann er die Goldmedaille, mit 0,66 Sekunden Vorsprung auf Laszlo Cseh, der Zweiter wurde. Das ist die Macht der geistigen »Generalprobe«. Konfrontieren Sie sich mit der Situation im Kopf. Immer und immer wieder. Und es wird so weit kommen, dass Sie ihnen real vorkommt. Dies ist es, was viele Redner zu tun. Auch Psychologen behandeln Phobiepatienten durch Einwirkung auf die Reize, die die Phobie verursachen. 3. Selbstgespräche Wir wissen aus der Forschung, dass durchschnittliche Menschen mehr als 400 Wörter pro Minute zu sich selbst repchen. Logisch, dass es einen großen Unterschied macht, wenn diese Worte überwiegend positiv sind. Positive Selbstgespräche können die Signale der Amygdala »Ã¼berschreiben«. 4. Atemkontrolle Die Kontrolle des Atems ist ein körperlicher Ansatz. Er konzentriert sich auf die Atmung, und erfordert bewusst langsameres Atmen, das gegen einige der Auswirkungen der Panik hilft. Langes Ausatmen ahmt den Prozess der Entspannung im Körper nach. Langes Einatmen versorgt das Gehirn mit mehr Sauerstoff, was zu besserem Erkennen der Denkprozesse führt. Diese Techniken können nicht funktionieren, wenn sie einzeln angewandt werden, aber sie können etwas bewirken, wenn sie zusammen angewandt werden. Diese Techniken können in verschiedenen Zusammenhängen angewandt werden, beispielsweise wenn Ihr Leben bedroht ist, oder wenn die Süßigkeiten im Supermarkt Ihre Taille bedrohen.