Bielefeld, »Don Quijote«, Theater am Alten Markt, Premiere, 2. September 2022

  • Nach Cervantes in einer Fassung von Florian Hein

Der Kampf gegen Windmühlen, das edle Ross Rosinante und der immer treue Gefährte Sancho Panza: Viele Motive von Don Quijote sind auch denen vertraut, die den Roman nicht kennen. Der Held der Geschichte, ein Landadeliger, hat zu viele Ritterromane gelesen. Also macht er sich auf, um eingebildete Abenteuer zu bestreiten. Immer bei ihm: der Bauer Sancho Panza. Der steht eigentlich mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Realität. Vielleicht fällt es ihm gerade deshalb schwer, zwischen der Einfalt seines Herren und der vermeintlichen Wirklichkeit zu vermitteln. Auf Streifzügen durch Dörfer, Wälder und Berge taumelt das ungleiche Duo von einer, oft von Prügel begleiteten, Niederlage in die nächste. Don Quijote lässt sich davon nicht entmutigen. Am Anfang seiner Irrfahrt versuchen die Menschen noch, ihn von seinen wilden Ideen abzubringen, doch nach und nach unterstützen sie den fantasietollen Ritternarren in seinem Wahn und begeben sich so selbst in das Spiel einer Als Ob #Realität. Der 400 Jahre alte Roman des spanischen Renaissance-Dichters Cervantes dreht sich um Wahrheit, Fantasie und das Ausleben derselben.

Für das Theater Bielefeld setzt Regisseur Florian Hein in einer eigenen Fassung am Kern des Romans an: dem Geschichtenerzählen. Das insgesamt siebenköpfige Ensemble lenkt in der Inszenierung den Blick darauf, woraus eine Geschichte besteht, wie Wahrheit konstruiert wird und wie wir heute mit dem Heldenepos umgehen möchten. Hein verstärkt neben den Abenteuern von Don Quijote und Sancho Panza den Fokus auf die anderen Figuren, die um Don Quijote herumschwirren und die Geschichte letzten Endes zu dem machen, was sie ist. Die enorme Figurenzahl, die Cervantes für uns erdacht hat, wird quantitativ vom Kostüm aufgefangen: Fünf Spieler*innen wechseln, in ein Grundkostüm gekleidet und mit Tüchern behangen, durch unterschiedliche Tuchwickeltechniken und stellenweise auch Masken von Figur zu Figur; lediglich die beiden Titelfiguren bleiben im selben Kostüm. Unterstützt wird das Geschichtenerzählen insbesondere durch die Bühne: Sie bietet den Schauspieler*innen unterschiedliche Kulissen, in denen sie ihr Spiel entfalten können. Angefangen in dem Zuhause Don Quijotes, das neben gemalten Prospekten durch den Einsatz bestimmter Verfremdungsobjekte an ein Kinderzimmer (dem Geburtsort des Geschichteerzählens) erinnert, wandern die Figuren später u.a. durch den Zauberwald, sind in einer Schänke oder auch auf einem Mittelaltermarkt. Die Bühne im Theater am Alten Markt bekommt einen Anstrich, der zu Beginn schon vermuten lässt, worum es in dem Stück geht: Welten bauen, Imagination aufleben lassen! Passend zum Spielzeitmotto lädt das Ensemble des Theaters Bielefeld unter der Regie von Florian Hein die Zuschauer*innen zur Wiederverzauberung ein.

Florian Hein arbeitet als Regisseur, Chorleiter und Autor. 2017 schloss er sein Regiestudium an der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« ab. Inszenierungen entstanden unter anderem am BAT Studiotheater Berlin, dem WUK Theater Quartier Halle, dem Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin, dem Schauspiel Hannover und 2020 erstmalig an der Volksbühne Berlin. Ein Schwerpunkt liegt auf der Arbeit mit Sprechchören, 2019 rief er in Halle den Chor des Ostens ins Leben und gründete im Frühjahr 2020 den Konsensklub am Schauspiel Hannover. Am Theater Bielefeld inszenierte er bereits in der Spielzeit 2020/21 Im Prinzip Till Eulenspiegel.

7. September, 9. September, 10. September, 1. Oktober, 2. Oktober, 12. Oktober, 18. Oktober, 20. Oktober, 21. Oktober, weitere Termine folgen, Theater Bielefeld