Peter Huchel Preis 2022 für Dinçer Güçyeter

Freiburg (ots)

Der SWR und das Land Baden-Württemberg vergeben Preis für den Gedichtband »Mein Prinz, ich bin das Ghetto« 10.000 Euro Preisgeld, Verleihung voraussichtlich am 18. Mai 2022 in Staufen im Breisgau.

»Mein Prinz, ich bin das Ghetto«

Der diesjährige Peter-Huchel-Preis für deutschsprachige Lyrik geht an den 1979 in Nettetal geborenen und in Nettetal lebenden Lyriker Dinçer Güçyeter. Die Jury würdigte in ihrer Sitzung am 28. und 29. Januar 2022 den im Elif Verlag erschienenen Band »Mein Prinz, ich bin das Ghetto« als herausragende Neuerscheinung des Jahres 2021. Sie hob die »expressionistische Sprachwucht und feinsinnige Ambivalenz« des Gedichtbandes hervor. Der mit 10.000 Euro dotierte Peter-Huchel-Preis wird voraussichtlich am 18. Mai 2022 verliehen. Preisstifter sind der Südwestrundfunk und das Land Baden-Württemberg. Zu den bisherigen Preisträgern gehören unter anderem Ernst Jandl, Durs Grünbein, Thomas Kling, Friederike Mayröcker und Marcel Beyer.

»ich reiße hinter Türen ohne Schlösser die alte Tapete ab, das Notizbuch der Zeit.« Was der Lyriker Dinçer Güçyeter in seinem Gedichtband »Aus Glut geschnitzt« bildstark und sprachgewaltig begann, findet in der neuen Sammlung seine radikale Fortschreibung. Radikal, weil die neuen Gedichte noch tiefer nach den Wurzeln seiner Herkunft graben, noch gründlicher das Geflecht familiärer Bindungen ausleuchten, die Herausforderungen des Aufbruches ins Neue, ins Ungewisse, den manchmal tödlichen Clash gesellschaftlich tradierter Vorstellungen mit anderen Lebensweisen. Ob die Texte ihren geografischen Ort in einem anatolischen Dorf oder in der Prostituierten Szene Istanbuls haben, in einem kindlichen Fantasiereich oder in der niederrheinischen Provinz, der Gedichtband »Mein Prinz, ich bin das Ghetto« verwebt sie zu einer die Vielfalt der menschlichen Existenz umspannenden Welt.

 

Die Jury, »expressionistische Sprachwucht und feinsinnige Ambivalenz«

Die Jury in ihrer Begründung: »Dinçer Güçyeters Gedichtband ›Mein Prinz, ich bin das Ghetto‹ verhandelt mit expressionistischer Sprachwucht und feinsinniger Ambivalenz familiäre, soziale und kulturelle Verortungen sowie postpatriarchale Möglichkeiten einer souveränen Existenz. ›Wohin mit diesen Gedichten‹ fragt ein Junge seine Eltern zu Beginn des Bandes und beantwortet diese Frage mehrdeutig und doch ästhetisch konsequent: Er schickt sie auf den Weg zu Lesenden, die bereit sind, den Habitus von Gedichten und Dichter-Existenzen zu hinterfragen. Mal im Gestus des Protestes, mal äußerst intim gestimmt, zeigt sich hier ein Dichter der Welt und öffnet auf immer wieder überraschende, in der Direktheit der Bezüge und Ansprachen durchaus riskante Weise eine sehr eigene und doch vertraute Welt zwischen dem niederrheinischen Nettetal und Anatolien, zwischen Kind Sein und #Vater Werden, zwischen Heinrich Heine und Dinçer Güçyeter, und unterläuft – oft humorvoll – herrschende postmigrantische Stereotype: »Mein Prinz, feuchte meine Zunge, flicke meinen Blick, nimm mich mit in deine Großstädte […]«

Preis für herausragendes lyrisches Werk des vergangenen Jahres

Der vom Land Baden-Württemberg und dem Südwestrundfunk gestiftete Peter Huchel Preis für deutschsprachige Lyrik wird seit 1984 für ein herausragendes lyrisches Werk des vergangenen Jahres verliehen. Der Preis erinnert an den Namensgeber Peter Huchel (geb.1903 in Groß-Lichterfelde bei Berlin), den bedeutenden Lyriker und langjährigen Chefredakteur der Literaturzeitschrift »Sinn und Form«. Huchel starb am 30. April 1981 in Staufen im Breisgau. Die unabhängige Jury besteht aus sieben Autoren, Literaturkritikern und Literaturwissenschaftlern.