Lebenswerte Stadt: Welche Faktoren sind hierfür besonders von Bedeutung?

Was ist eine lebenswerte Stadt und lässt sich auf diese Frage eine allgemeine Frage formulieren? Ist es nicht vielmehr so, dass für jeden Menschen etwas anderes zählt? Betrachten wir die Frage aus wirtschaftlicher Sicht und nehmen die Definition der EU-Kommission zu Hilfe, zählen folgende Dinge zu den Merkmalen einer lebenswerten Stadt:

  • saubere Luft
  • schadstofffreie Umwelt
  • Grünanlagen
  • funktionierende Abfallwirtschaft
  • Gewässerschutz
  • Recyclingsystem

Diese Kriterien entsprechen den materiellen Bedürfnissen jedes Menschen. Sie reichen aber noch lange nicht aus, um den individuellen Wünschen gerecht zu werden.

Das Leben in der Stadt mit Kindern

Leute mit Kindern haben bestimmte Vorstellungen, wie das Stadtleben aussehen sollte. Dazu gehören in jedem Fall ausreichend Kindereinrichtungen und Schulen. Wer jeden Morgen bis ans andere Stadtende fahren muss, um seinen Nachwuchs betreuen zu lassen, wird schnell unzufrieden. Liegen Arbeitsplatz und Kindereinrichtung in unterschiedlichen Stadtteilen, kommen besonders in Großstädten Fahrtzeiten von über einer Stunde zusammen. Zeit, die Eltern lieber nutzen würden, um mit ihren Kindern zu spielen.

Sind die Kinder älter, brauchen sie Angebote zur sinnvollen Freizeitgestaltung. Sportklubs für Kinder, Musikschulen, Malzirkel oder betreute Hausaufgabenzeiten sind im Zeitalter der Digitalisierung wichtiger denn je.

Für die Wochenenden oder Nachmittage in der warmen Jahreszeit braucht es Natur, in der die Kinder spielen können. Parks und Grünflächen dienen nicht nur der optischen Auflockerung in Wohngebieten. Neben ihrer Notwendigkeit als Sauerstofflieferant und Wohnraum für Vögel, Käfer und Eichhörnchen dürfen Kinder den Bezug zur ursprünglichen Natur nicht verlieren. Oftmals kennen Grundschüler Pilze nur aus dem Supermarkt. Im Wald wachsendes Moos und Farne sind lediglich aus Biologiebüchern bekannt und dass es auch in unseren Breiten Eidechsen gibt, ist für viele Kinder Neuland.

Bauernhöfe am Stadtrand machen es möglich, #Tiere und den Umgang mit ihnen in einer natürlichen Umgebung zu erleben. Für Stadtkinder ist dieses Erleben besonders wichtig, da die digitale Welt ganz andere Informationen verbreitet. Für Eltern ist es also wichtig, dass sich eine lebenswerte Stadt auch an den Bedürfnissen eines Kindes orientiert.

Eine lebenswerte Umgebung für #Senioren

Ältere Menschen haben hingegen ganz andere Bedürfnisse, die in einer lebenswerten Stadt umgesetzt werden sollten. Ihnen geht es nicht nur um kurze Wege für die Dinge des täglichen Bedarfs. Lebenswerte Konzepte betreffen auch die Möglichkeit, so lange es geht selbstbestimmt zu leben. Nicht jeder möchte in ein Seniorenheim ziehen müssen, wenn die Mobilität nachlässt und man Hilfe bei alltäglichen Handgriffen braucht. Werden Seniorenheime am Rand der Stadt gebaut, fühlen sich viele ältere Menschen aus dem Alltag ausgeschlossen. Stehen die Heime mitten in der Stadt, kann der Großstadtverkehr für Probleme sorgen oder es fehlt die Ruhe der Natur.

Hinzu kommt, dass Senioren in ihrem heimatlichen Umfeld verwurzelt sind. Mit 70 oder 80 Jahren in einem fremden Stadtteil neu zu beginnen, die alten Freunde zurückzulassen und sich auf viele Heimbewohner einzustellen – das entspricht nicht den Wünschen der älteren Generation. Die meisten von ihnen möchten mit Unterstützung in ihrem vertrauten Umfeld alt werden. Deswegen muss eine Stadt auch diesen psychologischen Bedürfnissen Rechnung tragen, was ausreichend ambulante Pflegedienste und seniorengerechte Wohnungen erfordert.

Der Start in das eigene Leben braucht ein Dach über dem Kopf

Junge Erwachsene wollen die Stadt erleben. Tagsüber Karriere machen, in der Freizeit Kultur genießen und Freunde treffen – mit diesen Erwartungen ziehen immer mehr junge Menschen in die Städte. Verschiedene Lebensbereiche sollten sich durch kurze Wege verbinden lassen, damit möglichst viel erlebt werden kann. Das Netz des öffentlichen Nahverkehrs muss gut ausgebaut sein. In Universitäts- und Hochschulstädten braucht es ausreichend Radwege für Studenten sowie bezahlten Wohnraum für die Zeit des Studiums. Aber auch Jugendliche, die gerade in das Berufsleben starten, brauchen ihre eigene Wohnung und müssen bei der Stadtentwicklung berücksichtigt werden.

Organisation und Nachhaltigkeit

Jeder Mensch hält seine Wohnung als persönliches Umfeld sauber und richtet sich entsprechend seiner Vorlieben ein. Gleiches gilt auch für das Umfeld, in dem sich der Mensch zur Arbeit, zum Einkaufen und in seiner Freizeit bewegt. Um sich wohlzufühlen, muss hier ebenfalls Sauberkeit und Ordnung herrschen. Die Wege müssen auch im Winter begehbar sein. Papierkörbe brauchen eine regelmäßige Leerung und Abfälle, die doch auf der Erde landen, sollten von Reinigungsdiensten beseitigt werden. Wo das nicht der Fall ist, entsteht ein Klima der Verwahrlosung.

Für diese Dinge sind Stadtverwaltungen zuständig, die aus Menschen und deren Charakteren bestehen. Deshalb entstehen lebenswerte Städte nur dort, wo Menschen in leitenden Positionen mehr am Wohl der Bürger als an Einfluss und Macht interessiert sind. Es braucht Zukunftsvisionen, die auf Nachhaltigkeit beruhen und die demografische Entwicklung berücksichtigen.

Menschen werden immer älter und es steht nicht genügend Pflegepersonal zur Verfügung. Auch diese Entwicklungen müssen berücksichtigt und Lösungen gefunden werden. Im Sinne einer ganzheitlichen Gestaltung von Städten könnten Schulen vor Ort geplant werden, die Pflegepersonal ausbilden. Gibt es einen absehbaren Ärztemangel, sollten auch dafür die entsprechenden Angebote geschaffen werden. Städte müssen bereits für die gegenwärtige Generation lebenswert sein und nicht erst in der Zukunft entstehen. Wenn dieser Weitblick fehlt und die Stadtentwicklung nur auf aktuelle Probleme reagiert, werden die Menschen der Zukunft immer hinterherlaufen.

Erst die #Natur und dann der #Mensch

Besonders im Wohnungsbaubereich und hinsichtlich der Begrünung einer Stadt muss vorausgedacht werden. Wohnraum entsteht nicht von heute auf morgen. Auch Bäume wachsen nicht innerhalb von wenigen Jahren zu ihrer vollen Größe und Leistungsfähigkeit heran. Was diesbezüglich heute geplant und umgesetzt wird, kann erst in absehbarer Zeit genutzt werden. Umso wichtiger ist eine gründliche Planung, die von Experten durchgeführt werden sollte.

Grünanlagen anlegen oder Bäume pflanzen ist schwieriger, wenn dies auf asphaltierten Flächen geschehen soll. Diese müssen zuerst abgetragen werden, was zusätzliche Kosten verursacht. Entstehen Wohngebieten neu, muss schon im Vorfeld bedacht werden, wohin die Entwicklung des Stadtteils gehen wird. Hierbei Bäume abzuholzen, um sie im Anschluss wieder aufzuforsten, ist der Natur gegenüber unverantwortlich. An dieser Stelle braucht es Menschen, die einen neuen Stadtteil in die Natur integrieren und nicht umgekehrt.

Die Natur nicht aus den Augen verlieren

Natur gehört nicht nur in eine lebenswerte Stadt – sie ist lebensnotwendig für ihre Bewohner. In Zeiten der Klimaerwärmung werden sich die Temperaturen verändern und trockenere und wärmere Sommer stehen bevor. Dann wird jeder Mensch einen Baum und jedes Tier einen Busch zu schätzen wissen, der Schatten spendet. Ohne eine grüne Stadtpolitik kann das jedoch nicht geschehen. Wer heute wahllos Bäume abholzt, um Straßen zu verbreitern und im Zuge des Klimaschutzes neue Bäume anpflanzt, betreibt keine Nachhaltigkeit für diese und die nächste Generation. Nachhaltigkeit setzt dann erst in einigen Jahrzehnten ein, doch was passiert bis dahin?

Gewässer und Flüsse, die sich in Städten befinden, benötigen mehr Schutz und Aufmerksamkeit. Sie bringen ein Stück Normalität in den Alltag und beruhigen Körper und Geist. Der stressgeplagte Mensch kann hier im wahrsten Sinne des Wortes durchatmen und zu seinem natürlichen Rhythmus finden. Je mehr dieser Oasen eine Stadt besitzt, desto höher ist die Lebensqualität an diesem Ort.

Lebenswerte Städte – auf den Punkt gebracht

Je mehr die elementaren und persönlichen Bedürfnisse der Menschen an ihrem Wohnort befriedigt werden, desto lebenswerter wird die Stadt den Menschen erscheinen. Gibt es passende Arbeit und Freizeitangebote, wird existenziellen Bedürfnissen entsprochen. Ist die Stadt sauber, gibt es Erholungsmöglichkeiten in der freien Natur und funktionieren Aspekte wie Verkehrsanbindung, Nahverkehr und stationärer Handel, fühlen sich Menschen sicher und versorgt. Wird die Stadt außerdem den Bedürfnissen der Kleinsten gerecht, gibt es keinen Grund für einen Umzug.