Strommarke »immergrün«: Gericht untersagt unzulässige Abschlagserhöhungen und Netzabmeldungen

  • Verbraucherzentrale NRW erwirkt einstweilige Verfügung gegen Rheinische Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft mbH

  • Ankündigung und Einzug erhöhter Abschlagszahlung ohne vorherige Preisinformation unzulässig

  • Netzabmeldung und Bestätigung einer »Sonderkündigung« ohne entsprechenden Kundenwillen untersagt

  • Gas- und Stromlieferung stets über Grundversorgung abgesichert

Die Verbraucherzentrale NRW startet einen Journalistenpreis für herausragende Berichterstattung rund um Verbraucherthemen. Bis zum 28. Februar 2022 können sich Journalisten ab sofort online für die Auszeichnung bewerben. Gefragt sind Arbeiten aller Mediengattungen zu verbraucherrelevanten Themen aus dem Jahr 2021, die durch eine originelle Herangehensweise, eine investigative Eigenleistung oder eine außergewöhnliche Darstellungsform überzeugen.

Auf Antrag der Verbraucherzentrale NRW hat das Landgericht (LG) Köln dem Leverkusener Energieversorger Rheinische Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft mbH (REG) per einstweiliger Verfügung unlautere Geschäftspraktiken mit Bezug auf die Marke »immergrün« untersagt (Beschluss vom 8. Dezember 2021, Aktenzeichen 33 O 226/21). So darf der Energieversorger allein unter Verweis auf erhöhte Beschaffungskosten, monatliche Abschlagszahlungen weder erhöhen noch sie in Rechnung stellen oder einziehen, wenn er zuvor nicht ordnungsgemäß die Preise erhöht hat. Auch Kundennachfragen zur Abschlagserhöhung in »Sonderkündigungen« umzudeuten und die Kunden dann vom Stromnetz abzumelden, wurde dem Energieversorger vom Gericht untersagt.

»Die aktuelle Situation auf dem Energiemarkt ist für Strom- und Gasanbieter ohne Zweifel eine unternehmerische Herausforderung. Wenn diese aber rücksichtslos auf dem Rücken der Verbraucher:innen gelöst werden soll, greifen wir mit den uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln ein«, erklärt Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW. „Abschlagserhöhungen für Strom und Gas anzukündigen, ohne den Verbrauch des vorhergehenden Abrechnungszeitraumes zu berücksichtigen, ist auch in Krisenzeiten schlicht und einfach unzulässig, wenn vorher die Preise nicht wirksam erhöht worden sind. Daran lässt auch das LG Köln keinen Zweifel.

Ankündigung und Durchführung von Belieferungsstopps untersagt 

Der Energieversorger hatte darüber hinaus Rückfragen von Kund:innen zu den ankündigten Abschlagserhöhungen in eine »Sonderkündigung« umgedeutet und im Folgenden einen Belieferungsstopp in Form einer entsprechenden Netzabmeldung angekündigt und durchgeführt. »Dass REG berechtigte Kundenrückfragen zu den Abschlagserhöhungen kurzerhand dahingehend umdeutet, dass dieser den Vertrag beenden wolle, und sich diesen so zu entledigen versucht, setzt dem Ganzen die Krone auf«, so Schuldzinski. »Erfreulicherweise hat das Gericht auch an der Unzulässigkeit dieser Geschäftspraktiken keinen Zweifel gelassen und sie untersagt. Die einstweilige Verfügung des LG Köln sorgt dafür, dass sich REG ab sofort wieder an die gesetzlichen Regeln halten muss und setzt ein deutliches Signal an die Branche, fair und transparent mit Verbraucher umzugehen.«

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig.

Handlungsempfehlungen für Betroffene

»Wichtig für #Betroffene ist zuallererst, dass sie selbst bei einem kurzfristigen Belieferungsstopp durch REG nicht plötzlich ohne Gas oder Strom dastehen, sondern in den Grundversorgungstarif des kommunalen Energieversorgers fallen«, erläutert Verbraucherschützer Schuldzinski.

Kunden der REG, denen gegenüber zuletzt mit Verweis auf die Energiekrise und erhöhte Beschaffungskosten per E-Mail einseitig höhere Abschlagszahlungen angekündigt wurden, sollten ihre Kontoauszüge prüfen. Hatte der Anbieter den Betroffenen gegenüber vor der Ankündigung nicht auch eine Preiserhöhung mitgeteilt, dürfen aufgrund des gerichtlichen Beschlusses Abschläge nur in der bisher gültigen Höhe in Rechnung gestellt oder gar eingezogen werden. Zu Unrecht abgebuchte Mehrbeträge können vom Anbieter zurückgefordert werden. Lenkt dieser nicht ein, kann die Lastschrift über das Bankinstitut zurückgeholt und nur der ursprünglich vereinbarte Betrag überwiesen werden.

Wurde ein Belieferungsstopp aufgrund einer angeblichen »Sonderkündigung« angekündigt, darf dieser aufgrund des Gerichtsbeschlusses nicht mehr durchgeführt werden. Ist die Netzabmeldung schon erfolgt, müssen betroffene Verbraucher:innen entscheiden, ob sie dies akzeptieren wollen. Wird eine Weiterbelieferung angestrebt, zum Beispiel weil noch eine lange Laufzeit einer bestehenden Preisgarantie aussteht, sollte REG zeitnah zur Weiterbelieferung aufgefordert werden.

Verbraucher, denen aufgrund des unzulässigen Geschäftsgebarens  von REG höhere Kosten entstanden sind, zum Beispiel durch höhere Preise in der Grundversorgung, kann ein entsprechender Schadensersatzanspruch zustehen.

Rechtlichen Rat zu Problemen mit dem Energieversorger bietet die Verbraucherzentrale NRW. Informationen dazu sind unter www.verbraucherzentrale.nrw zu finden.

Der Beschluss des LG Köln vom 8. Dezember 2021, Aktenzeichen 33 O 226/21, ist auf der Homepage der Verbraucherzentrale NRW in der Urteilsdatenbank zu finden, www.verbraucherzentrale.nrw/urteilsdatenbank …