Langenscheidt-Verlag – auch in Gütersloh ist »cringe« das Jugendwort des Jahres 2021

Der Sieger steht fest: Der Stuttgarter Langenscheidt-Verlag teilt mit, dass der Anglizismus »cringe« zum »Jugendwort des Jahres« 2021 gekürt wurde.

Wörtlich übersetzt bedeutet »cringe« soviel wie »sich ducken« oder »zusammenzucken«. In der Gütersloher Jugendsprache ist damit jedoch alles gemeint, wofür man sich fremdschämt oder was einem peinlich ist.

Die Bundesschülerkonferenz erklärte, man könne mit dem englischen Begriff vorsichtig auf peinliche Situationen verweisen. Weshalb das »Jugendwort des Jahres« unbedingt ein Anglizismus sein muss, wurde nicht weiter erläutert.

Experten des »Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache« gehen davon aus, dass des der englische Begriff »cringe« bald auch in die Alltagssprache schaffen könne.

Was ist die Bundesschülerkonferenz?

Die Bundesschülerkonferenz (BSK) ist die ständige Konferenz der
Landesschülervertretungen der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Sie behandelt Angelegenheiten der Bildungspolitik von überregionaler Bedeutung mit dem Ziel einer gemeinsamen Meinungs- und Willensbildung und der Vertretung gemeinsamer Anliegen. 

Die Bundesschülerkonferenz ist überparteilich und überkonfessionell. Sie sorgt für die gegenseitige Unterrichtung und den Erfahrungsaustausch zwischen ihren Mitgliedsländern und tritt fördernd für die Mitbestimmung Schülerinnen und Schüler Deutschlands im Schulwesen ein. Die Bundesschülerkonferenz hält enge Kontakte zu den zuständigen Behörden, Institutionen und Verbänden.

Die BSK schreibt beispielsweise in einem »Positionspapier«: »Die Bundesschülerkonferenz ist der Auffassung, dass der Frontalunterricht auf keinen Fall die dominierende Form des Unterrichtes sein darf und weist hierbei auf neue Unterrichtsformate in anderen Ländern hin, welche bereits Erfolge in Studien gezeigt haben.« Was sie nicht schreibt: Was für »neue Unterrichtsformate« das sein sollen. Die Position ist also: »So nicht« … »Wie denn?« … »Jedenfalls nicht so! Der Frontalunterricht darf nicht dominieren!« … »Warum?« … »Er darf es nicht!« …

Ihr habt gevotet: »cringe« ist das Jugendwort des Jahres 2021

»49 Tage lang haben wir eure Vorschläge für das Jugendwort des Jahres 2021 gesammelt, 1,2 Millionen haben wir davon erhalten. Und am Schluss standen nach fast vier Monaten drei Wörter für das finale Voting fest: »Sus«, »Sheesh« und »Cringe«. Dieses Jahr haben wir die Wahl des Jugendwortes des Jahres in eure Hände gelegt und ihr habt mit 42 Prozent Mehrheit der Votes entschieden: ›cringe‹ ist das Jugendwort des Jahres 2021!«

Was die beiden anderen Wörter bedeuten

»Sus« ist eine Abkürzung von »suspekt« beziehungsweise im Englischen für »suspicious« oder auch »suspect« (»Verdächtiger«). Die Abkürzung wird immer dann verwendet, wenn etwas suspekt erscheint, das heißt, auch dann, wenn etwas »fake« zu sein scheint – also nicht echt.

»Sheesh« ist hingegen ein Ausdruck des Erstaunens – negativ wie positiv. Ãœbertragen in etwa »Meine Güte«, »Oha« oder »Also wirklich«. Woher der Begriff stammt, ist unklar – es könnte eine Abwandlung von »Jeez« sein (»Jesus«).

»Sheesh« stammt aus der Rap-Szene und wird von Jugendlichen häufig bei Youtube, Facebook & Co. verwendet. Durch den österreichischen Rapper »Money Boy« ist »Sheesh«Â populär geworden. Eine direkte Bedeutung für den Begriff gibt es nicht. Allerdings gibt es eine Ähnlichkeit mit dem in der amerikanischen Hip-Hop-Szene geläufigen »Geez« am Ende einer »Rap-Line«, was für »Jesus« steht. Damit ist religiöser Bezug gegeben, »Geez« steht dabei für eine generelle Verstärkung der vorher gerappten »Line«.

Langenscheidt erklärt das Jugendwort des Jahres 2021

Das englische Wort »cringe« wird heutzutage in der deutschen Jugendsprache in verschiedenen Situationen genutzt. »Cringe« drückt ein Gefühl des Fremdschämens aus und kann auch als Adjektiv Gebrauch finden. So kann es zum Beispiel »cringe« oder »cringy« sein, wenn Erwachsene, beim Versuch cool zu wirken, Jugendsprache verwenden.

»Cringe« kann aber auch ein Ausruf des Unbehagens sein und wird oft verwendet,wenn eine Situation peinlich ist. Auch in den Social Media Kommentarspalten findet man den Ausdruck unter »cringeworthy« Content.

Wer übrigens im kostenlosen Langenscheidt-Online-Wörterbuch nach »cringe« sucht, findet für das englische Verb einige deutsche Ãœbersetzungen: »schaudern«, »sich ducken«, »sich zusammenkrümmen«, »kriecherisch schmeicheln«, »kriechen«, »zusammenfahren«, »zusammenzucken«.

»Cringe« bezeichnet also nicht nur ein mentales Phänomen, sondern kann als Schaudern durchaus auch eine körperliche Erfahrung sein. Als englisches Nomen kann »cringe« in »kriecherische Höflichkeit« und »Speichelleckerei« übersetzt werden.

Was aber auf jeden Fall gesagt werden kann: Auch »Cringe« ist kein neues Jugendwort. Schon im letztjährigen Onlinevoting hat es »Cringe« in die Top-Drei geschafft. Jugendwörter und Jugendsprache wandeln sich zwar ständig, werden jedoch auch durch Trends und aktuellen Themen aus den Bereichen Musik, Kunst, Gesellschaft, Politik und sogar Memes beeinflusst. Nachdem sich 2020 die Jugend mitten in der Pandemie eher »lost« fühlte, spiegelt der jugendliche Zeitgeist dieses Jahr ein Gefühl der Fremdscham.

Carola Padtberg im »Spiegel«

»Ãœber ›cringe‹ zu schreiben, ist einfach nur ›cringe‹«, lästert Carola Padtberg, und schreibt weiter: »Wieder hat Langenscheidt das Jugendwort des Jahres ausgerufen. Leider wird das schöne Wort damit wohl aussterben.«

Padtberg hat Englische Literatur und Politik in Bonn und London studiert, ein Volontariat bei »Zeit online« absolviert und die Holtzbrinck-Journalistenschule in Düsseldorf besucht. Seit Juli 2005 arbeitet sie für »Spiegel Online«, zunächst im Ressort »UniSPIEGEL«, 2015  als Ressortleiterin. Sie ist darüber hinaus Sachbuch-Autorin im Ullstein-Verlag und seit 2016 Redakteurin im Kulturressort des »Spiegel«.

Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS)

Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim ist die zentrale wissenschaftliche Einrichtung zur Dokumentation und Erforschung der deutschen Sprache in Gegenwart und neuerer Geschichte. Als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft wird das IDS gemeinsam von Bund und allen 16 Bundesländern unter besonderer Beteiligung des Landes Baden-Württemberg getragen.

Sprache in der Coronakrise

Wie beeinflusst die Coronakrise unsere Sprache? Welche Wörter spielen dabei eine besondere Rolle? Wie können wir uns der Beobachtung der aktuellen Sprachwandelprozesse methodisch nähern? In Sprachglossen und wissenschaftlichen Beiträgen haben sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am IDS solchen und weiteren Fragen rund um das Deutsche in der Coronakrise zwischen März 2020 und August 2021 genähert. Daneben ist im Neologismenwörterbuch der neu entstandene Wortschatz rund um die Coronapandemie dokumentiert.