Bei Facebook wurde mir eine Facebookanzeige eingeblendet, in der es hieß, der Umsatz hinge nicht vom Marketing, vom Produkt oder vom Vertrieb ab, sondern von ganz anderen Dingen. Das klang interessant, und so habe ich einfach mal draufgeklickt. Es folgte funneltypisch eine »Landingpage«, auf der ich meinen Namen und meine Telefonnummer eingeben sollte. »Landingpages« sind ein Element dessen, was man neuerdings als »Funnel« bezeichnet. Eigentlich ist das Kalter Kaffee, schon lange gilt die »ADA-Formel«: »Attention, Desire, Action«. Alter Wein in neuen Schläuchen. Nun gut, Anrufe ignorieren oder auflegen kann ich ja problemlos. Auf der »Landingpage« gab es nun ein Video zu sehen, in dem jemand stundenlang um den heißen Brei herumredete. Mit den üblichen Phrasen, in denen es um Erfolg geht, darum, viel Geld zu verdienen, und solche Dinge. Und irgendwann kam er dann mit einer XYZ-Methode heraus und der vermeintlichen Erkenntnis, alles hinge an unserem Unterbewusstsein. Zuerst einmal: Dass er den Begriff »Unterbewusstsein« benutzt, zeigt, dass er keine Ahnung von aktueller Psychologie hat, denn heute benutzt man den Begriff »Unbewusstes«. Freud gilt als überholt. Und zweitens hängt natürlich nicht alles von unserem Unbewussten ab. Nur das, was wir tatsächlich selbst unmittelbar und mittelbar beeinflussen können. Und natürlich sind Marketing, Vertrieb und das Produkt wichtig. Sogar entscheidend. Genauso entscheidend, wie der Unternehmer selbst. So pauschal kann man das sowieso nicht sagen. Es hängt von vielen Faktoren ab. So ist beispielsweise die Person des Unternehmers bei Marken wie Coca Cola völlig irrelevant, es sei denn, er würde das Unternehmen in die Grütze reiten. Einige Tage später klingelte dann das Handy und jemand begrüßte mich überschwänglich und duzte mich. Ich brauchte einige Sekunden, um mich daran zu erinnern, von wo aus er überhaupt anrief und was er wollte. Er fragte mich dann, was ich wollte, warum ich mich in dem »Funnel« angemeldet habe. Das sagte ich ihm wahrheitsgemäß. Er drehte es dann psychologisch geschickt und geschult so, dass ich derjenige sei, der etwas wolle, dass man in Folgetelefonaten, auf die ich mich vorbereiten solle, feststellen werde, ob ich überhaupt zu der Sache passe und es gebe einen »Bewerbungsprozess« meinerseits. Wir vereinbarten einen weiteren Telefontermin. Nun gut. Er schickte mir dann per SMS und Whatsapp-Nachricht einen Link zu einer anderen Landingpage zu, den ich von der SMS falsch abtippte und einen Bindestrich vergaß, weil ich dachte, dieser sei einem Zeilenumbruch geschuldet. Denn eigentlich war er überflüssig. Das Wort, das er trennt, ist eigentlich ein Wort: »termin-vorbereitung« statt »terminvorbereitung«. Ich landete auf einer Landingpage eines »Funnel«-Providers mit dem Angebot, Reseller zu werden. Dort lief ein englischer Hintergrundton einer Dame und es ließ sich ein Video starten. Man hörte dann zwei Leute sprechen und verstand nichts. Das teilte ich dem Backoffice-Mitarbeiterper SMS mit. Er reagierte unverständlich und meinte, ich müsse mir die Seite unbedingt ansehen, um mich auf das nächste Telefonat vorzubereiten. Irgendwann probierte ich dann den Link mit dem Bindestrich aus und gelangte auf die richtige Seite. Dort gab es wiederum ein kurzes Video, in dem wieder um den heißen Brei herumgeredet wurde. Diese ganzen Videos gehören zur »Desire«-Phase des »ADA-Konzepts«. Darunter gab es dann drei vorbereitende Fragen: Wie hoch ist dein monatliches Umsatzziel? Was ist aktuell deine größte Herausforderung, die dich davon abhält, dieses Ziel zu erreichen? ​Und zuletzt: Wie stellst du dir eine ideale Lösung vor? Darunter gab es dann noch ein paar Stichpunkte zu dem Coach, in denen gesagt wurde, wie er arbeitet, und ein Foto von ihm. Ein durchtrainiertes, alert aber nicht intelligent wirkender Typ. Der übrigens auch bei Instagram aktiv ist und dort einige Fotos von sich und Memes mit pseudointellektuellen Platitüden, vulgo: Geschwurbel präsentiert. Zum vereinbarten Telefontermin, den ich unbedingt einzuhalten aufgefordert wurde, rief der Backoffice-Mitarbeiter dann nicht an, sondern eine Stunde später. Er quatschte mich wieder voll, sagte, wir müssten uns nun kennenlernen, und fragte die Vorbereitungsfragen ab. Das »Kennenlernen« bestand aus der Frage, was ich so mache, von sich selbst gab er natürlich nichts preis. Ich nannte ihm irgendeine Zahl als Umsatzziel, einige Probleme und einige mögliche Lösungen. Er sagte mir erwartungsgemäß, alles hinge an meinem »Unterbewusstsein«. Ich sagte ihm wiederum, dass das nicht der Fall sei, dass ich gewisse Umstände nun einmal nicht so einfach beeinflussen könne. Nach einigem Hin und Her kam er dann damit heraus, worum es eigentlich ginge: Man würde mir ein mehrmonatiges Coaching zum Preis von 5.000 Euro anbieten, wenn mein »Bewerbungsprozess« denn positiv beschieden würde, was man erst noch eruieren müsse. In weiteren Telefonaten. Grundsätzlich müsse ich erst einmal dem Coach vertrauen. Ob ich ihm vertraute? Ich sagte, weder vertraute ich ihm, noch vertraute ich ihm nicht. Ich wisse ja nicht, was er konkret anbieten würde und würde ihn überhaupt nicht kennen. Er insistierte. Ob ich mir denn vorstellen könne, 5.000 Euro auszugeben. Ich verneinte, das sei zu teuer für eine Katze im Sack. Und ich wisse ja gar nicht, ob eine Lösung überhaupt Monate dauern würde. Er meinte dann, ich sähe ja jetzt, wo das Problem liege, wenn ich nicht bereit sei, »Energie« abzugeben und etwas für meinen Erfolg zu investieren. Es gäbe auch noch das Angebot eines Einzelcoachings mit dem Coach, das koste aber 35.000 Euro und käme ja dann wohl erst Recht nicht in Frage. Ich bejahte das. Wir verblieben nun so, dass ich mich wieder melden solle, wenn ich doch noch zur Vernunft käme. Ãœbrigens hat dieser Coach »The Secret« gelesen und goutiert dieses Machwerk. Das sagt schon einiges aus. Ich habe einen seiner Instagram-Beiträge kommentiert, da kam er mir dann auch mit Sprüchen aus »The Secret«. Das Leben sei unendlich, Logik sei nichts, das Universum regle alles und solche Dinge. Ich werde mich natürlich nicht mehr melden. Das Konzept ist alberner Nonsens. Und überteuert dazu. Vielleicht schicke ich ihm diesen Text, um ihn zu ärgern und mir Drohungen einzufangen. Aber ich nenne keine Namen und liefere nur einen persönlichen Erfahrungsbericht samt meiner Meinung. Philipp Walulis hat sich über dieses »Funneling« auch schon lustig gemacht und es selbst durchgezogen. Er landete am Ende bei einem Buch, in dem stand, dass man viel Geld verdienen könne, wenn man Leuten ein Buch verkaufen würde, in dem steht, dass man viel Geld damit verdienen könne, indem man Leuten ein Buch verkauft, in dem steht … und so weiter. Ad ultimo. Zu der XYZ-Methode findet man bei Google übrigens nichts, zu dem Coach schon. Einige kurze Erfahrungsberichte, ich habe sie mir aber nicht durchgelesen, nur überflogen. Einige warnen vor ihm, andere sind begeistert.