Gütersloh, gut getarnt und streng geschützt

Gütersloh (gpr). Vorbeifahrende Züge, vibrierender Boden und laute Fahrgäste – an einem Ort, wo kaum jemand freiwillig seine Zelte aufschlagen würde, fühlt sie sich besonders wohl: die Zauneidechse. An den Bahndämmen und Waldrändern findet das heimische Reptil einen Lebensraum mit idealen Bedingungen. Doch trotz des großflächigen Schienennetzes mit seinen zahlreichen Bahnhöfen, ist die Zauneidechse in Deutschland stark gefährdet. Umso mehr freuen sich der Biologe Dr. Burkhard Thiesmeier und Franz Thiesbrummel vom Naturschutz-Team Gütersloh, dass sich die Zauneidechse auch in Gütersloh niedergelassen hat und zur Vielfalt des Gütersloher Artenkorbs beiträgt. Auf einer gemeinsamen Exkursion sind die beiden Naturschützer kürzlich am Bahnhof Isselhorst-Avenwedde und im Bereich der Osnabrücker Landstraße auf Suche nach den gut getarnten Reptilien gegangen und haben gemeinsam den Lebensraum der Zauneidechse erkundet. »Wenn man am Bahnhof Avenwedde auf den Zug wartet, dann lohnt es sich an den Rändern des Bahnsteigs auch mal genauer hinzusehen«, weiß Dr. Burkhard Thiesmeier, Leiter eines Fachverlags für Reptilien und Amphibien. Denn zwischen dem Bahndamm und dem Bahnsteig gibt es allerhand zu entdecken, wie auch die Zauneidechse, die sich am Bahnhof Isselhorst-Avenwedde niedergelassen hat. Die dicht bewachsenen Bahndämme mit ihren Freiflächen im Bereich des Bahnsteigs bieten dem Reptil eine ideale Kombination aus Rückzugsort und Freifläche. »Die lockere Erde und alte Mauselöcher sind perfekt für die Eiablage und außerdem gibt es auch genügend Plätze, auf denen sich die Eidechse sonnen kann«, betont der Naturschützer. Dennoch ist die Eidechse mit ihrer, in Abhängigkeit von der Jahreszeit, braun-grünen Färbung für Laien oftmals nur schwer zu erkennen. »Dafür braucht es viel Geduld und ein geschultes Auge«, weiß Franz Thiesbrummel, der die Zauneidechse in ihrem natürlichen Lebensraum sofort entdeckte. Der Bahndamm als Lebensraum der Zauneidechse hat neben der Kombination aus Unterschlupf und Sonnenfläche darüber hinaus auch noch einige Vorteile zu bieten, sagt Dr. Burkhard Thiesmeier: »Die Gleise sind ideal für die Verbreitung, da sich die Populationen entlang der Schienen ausbreiten können.« Um das Wachstum der Populationen zu fördern und den Lebensraum der Zauneidechse auch weiterhin aufrechterhalten zu können, wird seit mehreren Jahren auf das Düngen und den Einsatz von Bioziden an Wegrändern und im Bereich der Bahndämme verzichtet. Zudem gibt es strenge Auflagen, falls Baumaßnahmen in einem von Zauneidechsen besiedelten Gebiet geplant sind. »Dann müssen die Zauneidechsen eingefangen und umgesiedelt werden«, weiß Franz Thiesbrummel um den hohen Schutzstatus des Reptils Bescheid. Eine neue Heimat könnten die Zauneidechsen dann beispielsweise im Gütersloher Naturschutzgebiet »Große Wiese« finden. Denn auch ohne Zugverkehr und Reisende wurde hier ein geeigneter Lebensraum für Zauneidechsen und zahlreiche Tierarten geschaffen. Die Zauneidechse ist nur eine der 66 Tier- und Pflanzenarten, die zum Gütersloher Artenkorb gehören. Im Gütersloher Artenkorb werden im Rahmen des Biodiversitätsprogramms alle in Gütersloh vorkommenden Pflanzen und Tiere festgehalten, die oftmals stark gefährdet und auf Rücksichtnahme und Unterstützung angewiesen sind. Auf dem Umweltportal der Stadt Gütersloh unter umwelt.guetersloh.de finden sich zu jeder Tier- und Pflanzenart des Gütersloher Artenkorbs ein detaillierter Steckbrief sowie einige Projektvorschläge, um selbst aktiv zu werden.