Gütersloh (gpr). Heidenelke, Schwarzpappel und Kuckucks-Lichtnelke: Auf den ersten Blick hat die Schwarzpappel als großer und robuster Baum eher wenige Ähnlichkeiten mit den kleinen und zarten Wildpflanzen. Doch ihnen ist auch etwas gemeinsam: Sie alle befinden sich auf der Liste des »Gütersloher Artenkorbes«. Die darin benannten insgesamt 66 Tier- und Pflanzenarten kommen zwar allesamt in der Stadtlandschaft vor. Sie sind jedoch auf besondere menschliche Rücksichtnahme unbedingt angewiesen. »In Gütersloh liegt durch die Ausbreitung von Wohn- und Industriegebieten eine große Bedrohung für die Artenvielfalt vor. Neben dem Flächenschwund ist aber auch die Landwirtschaft sehr ausschlagend«, sagt Gerald Kulbrock. In früheren Tagen sei die Landwirtschaft noch förderlicher gewesen und habe etliche Freiflächen geschaffen, auf denen sich viele Tier- und Pflanzenarten ansiedeln konnten. »Mittlerweile hat sich dies verändert«, weiß Kulbrock. Der Pensionär ist seit 1994 Mitglied der Geobotanischen Arbeitsgemeinschaft des Naturwissenschaftlichen Vereins Bielefeld und widmet sich der Kartierung von Pflanzen im Landschaftsraum Westfälische Bucht. »Ich schaue an alten und bekannten Standorten, welche Arten es hier noch gibt«, erklärt er seine Tätigkeit, »Gleichzeitig versuche ich auch, neue Standorte von Pflanzenarten zu finden.« Anschließend werde punktgenau festgehalten, wo welche Art vorkomme. Am Ende dieses Kartierungsprozesses im Jahr 2017 steht die Anfertigung einer aktuellen Roten Liste für Nordrhein-Westfalen. Wie wichtig die Erhebung des Pflanzenvorkommens ist, zeigt sich bereits vor der eigenen Haustür. Mit wachsamem und geschultem Blick geht Gerald Kulbrock an diesem Vormittag durch den Stadtpark. Hier sind manche Pflanzen aus dem Gütersloher Artenkorb zu finden. Oft sind die Arten, nach denen er Ausschau hält, nicht sehr groß. Und oft stehen sie auch auf der Roten Liste der gefährdeten Arten für das Land NRW. So auch die Heidenelke: Sie gilt in den einzelnen Landschaftsräumen als gefährdet bis stark gefährdet. »In großen Beständen ist diese Art bei uns noch am Kreishaus und im Obstgarten zu finden«, freut sich Kulbrock, dem die leuchtend pink-farbenen Blüten sofort auffallen. Dennoch seien die Fundpunkte im Stadtgebiet nur noch sehr vereinzelt. Gleiches gilt für die Kuckucks-Lichtnelke. Auch sie findet sich in Gütersloh nur noch selten, gilt aber nicht als gefährdet. Vermehrt kann man die rot-blühende und krautige Pflanze noch im Bereich des Stadtparks sowie in Feuchtwiesen vor allem in Naturschutzgebieten sehen. »Die naturnahe Pflege von Flächen ist eine wichtige Maßnahme, um diese Pflanze zu erhalten«, erklärt Kulbrock. Unter entsprechenden Bedingungen könne sich diese Art auch im privaten heimischen Garten ansiedeln. Gerald Kulbrock hält auch bei der Schwarzpappel an der Parkstraße ein. Der etwa 20 Meter hohe Laubbaum ist ein ganz besonderer Repräsentant seiner Art, denn er ist einzigartig – nicht nur im Stadtpark, sondern im gesamten Stadtgebiet. »Vor über 100 Jahren hat man diese Bäume sehr häufig gepflanzt, heute sind es vermehrt Hybrid-Pappeln«, weiß Kulbrock. Als Hybride werden Kreuzungen verschiedener Arten bezeichnet. Die einzige ausgewachsene Gütersloher Schwarzpappel hingegen ist echt. »Charakteristisch ist ihre wulstige, gedrehte Rinde«, erklärt Kulbrock, während er über das glatte Holz streicht und die kleinen, hellgrünen Blätter betrachtet. In der Westfälischen Bucht ist die Schwarzpappel in der Roten Liste für das Land NRW mit dem Grad »gefährdet« versehen. In anderen Landschaftsräumen gilt sie als »stark gefährdet« oder ist nicht nachgewiesen. Aber nicht alle Pflanzen des Artenkorbs finden sich im Stadtpark. Das Bergsandglöckchen und die Besenheide etwa fänden sich eher in der Nähe der Kläranlage Putzhagen, während der Bauernsenf vor allem in Randbereichen in Richtung Marienfelde vorkomme, weiß Kulbrock aus Erfahrungen von Exkursionen und Kartierungsarbeiten im Gelände. »Wir Kartierer gehören eigentlich auch auf die Rote Liste«, sagt er. Der Pensionär beklagt den fehlenden Nachwuchs in naturwissenschaftlichen Vereinen. Doch um bei den Exkursionen mitmachen zu können, muss man kein ausgewiesener Kenner der heimischen Flora sein. »Es sollte einfach ein gewisses Interesse an Pflanzen vorhanden sein und einige Arten sollte man auch kennen – mehr nicht«, fasst Gerald Kulbrock die Anforderungen zusammen. »Der einzelne Bürger kann allein nicht viel ausrichten, aber wenn man sich in Naturschutzvereinen organisiert, kann man gemeinsam etwas erreichen.«