Verein Digitalcourage Bielefeld, Speicherpflicht für Fingerabdrücke im Personalausweis, Anhörung vor dem europäischen Gerichtshof

Bielefeld, 13. März 2023

»Ich setze mich gegen den #Zwang zur Abgabe der #Fingerabdrücke ein, weil ich nicht wie ein Verbrecher behandelt werden möchte, der erkennungsdienstlich behandelt wird«, sagt Detlev Sieber, organisatorischer Geschäftsführer von #Digitalcourage und #Kläger in einem Verfahren gegen die Speicherpflicht für Fingerabdrücke im #Personalausweis. Am Dienstag, 14. März 2023, um 9.30 Uhr wird eine mündliche Anhörung vor dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) in Luxemburg zu dieser Klage stattfinden. Die Klage mit dem Aktenzeichen C 61/22 wird vor der Großen Kammer verhandelt, die nur für besonders bedeutsame und komplexe Fragen zusammenkommt. Das Urteil in diesem Fall wird rund 380 Millionen Bürger.innen der EU betreffen.

Hintergrund

Im August 2021 ist in Deutschland eine Änderung des Personalausweisgesetzes in Kraft getreten (Paragraph 5, Absatz 9, Personalausweisgesetz). Seitdem müssen alle, die einen neuen Personalausweis beantragen, zwingend die Abdrücke beider Zeigefinger auf dem Chip des Ausweises speichern lassen. Dieses deutsche Gesetz ist die Umsetzung einer EU Verordnung (Artikel 3, Absatz 5, VO (EU) 2019/1175). »Wir bezweifeln, dass die EU«Verordnung mit europäischen Grundrechten vereinbar ist.«

»Auf Grundlage der von uns angegriffenen EU Verordnung müssen 380 Millionen EU Bürger ihre Fingerabdrücke abgeben. Das ist ein massiver Eingriff in das durch die EU Grundrechtscharta geschützte Persönlichkeitsrecht. Begründet wurde die Einführung dieses Gesetzes damit, dass so die Wahrnehmung des Rechts der Freizügigkeit innerhalb der EU gefördert werde. Doch die Verordnung gestattet den Zugriff auf die im Personalausweis gespeicherten Daten immer dann, wenn das Recht der Mitgliedstaaten die Vorlage des Personalausweises vorsieht. Und das sind weit überwiegend rein inländische Fälle, die mit Freizügigkeit gar nichts zu tun haben«, so Wilhelm Achelpöhler, #Fachanwalt für Verwaltungsrecht von der #Kanzlei Meisterernst Düsing Manstetten in Münster, der Digitalcourage in dieser Klage vertritt und morgen bei der Anhörung vor dem EUGH eine mündliche Stellungnahme abgeben wird.

Digitalcourage kritisiert die Speicherpflicht unter anderem wegen der dramatischen Auswirkungen, die ein Datenleck hätte, das biometrische Daten beeinhaltet, erklärt Julia Witte: »Wenn mein Passwort, meine E Mail Adresse, meine Handynummer oder Bankverbindungsdaten in die falschen Hände geraten, dann kann ich all das im Zweifelsfall ändern um mich zu schützen. Meine Fingerabdrücke aber kann ich niemals ändern – sie machen mich ein Leben lang identifizierbar.«

Doch das Problem sind nicht nur illegale Zugriffe auf die Informationen, auch innerhalb der gesetzlichen Vorschriften gibt es einige Unwägbarkeiten, erläutert Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler: »Wir kritisieren, dass die für die Herstellung der Personalausweise eingescannten Fingerabdrücke nicht ausschließlich für die Herstellung der Fingerabdrücke genutzt werden dürfen und nicht sofort nach der Herstellung der Personalausweise vernichtet werden müssen. Über all diese Probleme hätten sich Rat und Parlament in einer Datenschutzfolgenabschätzung vergewissern müssen – die aber unterblieben ist.«

»Rechtsstaaten und Demokratien basieren darauf, dass der Staat seinen Bürgern grundsätzlich erstmal vertraut und sie nicht pauschal alle als tatverdächtig behandelt«, meint deshalb Julia Witte, Redakteurin bei Digitalcourage. »Dass biometrische Daten im Datenschutzrecht besonders geschützt werden, hat einen ernsten Hintergrund. Wenn der Staat über flächendeckende biometrische Merkmale wie Fingerabdrücke verfügt, ist das ein Schritt in Richtung Überwachungsstaat«, sagt auch Detlev Sieber von Digitalcourage.