Offenes Schreiben. Verdienstorden der Bundesrepublik: Rückläufige Bereitschaft zur Würdigung von freiwilligem Engagement schadet der Ehrenamtskultur

Dennis Riehle, Konstanz, 4. Februar 2023

Sehr geehrte Damen und Herren,
hochverehrter Herr Bundespräsident,

seit mittlerweile 24 Jahren engagiere ich mich in den verschiedensten Bereichen ehrenamtlich und habe bislang weit über 15.000 Stunden für Gemeinnützigkeit investiert.

Begonnen im kirchlichen Bereich, später im Sozialen, im Umweltschutz, in der Partei, kommunalpolitisch, in der Bürgerbeteiligung, in der Gesundheitsförderung, Entstigmatisierung und Behindertenarbeit.

Ich wurde für einen Bundesverdienstorden oder zumindest die Landesehrennadel des Landes Baden Württemberg vorgeschlagen. Stuttgart lehnte beides ohne Gründe ab.

Mir geht es nun um die prinzipielle Frage: Wie sollen Menschen weiterhin zu freiwilligem Tun ermutigt und befähigt werden, wenn ihnen nicht einmal die Ehre zuteilwird?

Meine in den Bundestag eingebrachte Petition zur Neuregelung in der Vergabe von Orden und Auszeichnungen der Bundesrepublik wurde ohne wirkliche Lösung zu den Akten gelegt.

Ich möchte mittlerweile keine Auszeichnung mehr habe, denn man soll nicht darum betteln. Ich weiß, dass ich in der Selbsthilfe bereits über 10.000 Menschen unterstützt habe und in vielen anderen Bereich Gutes für die Gesellschaft getan habe. Allerdings sorge ich mich bei den ohnehin rückläufigen Zahlen an Bereitwilligen, die sich bürgerschaftlich engagieren, inwieweit es zielführend sein kann, wenn vom Bundespräsidenten bis zum #Bürgermeister die Offenheit zur Würdigung von Freiwilligen nachlässt und damit auch ein wesentlicher Grund, sich einzubringen – nämlich die Anerkennung – wegbricht und Engagement abwertet.

Zum Thema finden Sie meinen Kommentar im Anhang, der möglicherweise manch weiteren Gedankenimpuls gibt und dabei hilft, die bisherige Vergabepraxis erneut kritisch zu prüfen.

Wie gesagt, es geht mir nicht um mich, sondern wie wir mit Menschen umgehen, die ihren Dienst auch wegen Wertschätzung leisten und angesichts eines wachsenden Defizits bei der Besetzung ehrenamtlicher Aufgaben Anreize schaffen und sie attraktiver machen.

Denn der Sozialstaat könnte einpacken, würde er nicht länger auf die vielen Millionen Ehrenamtlichen bauen können.

Daher ist eine neue Anerkennungskultur wichtig, beginnend bei Würdigungsveranstaltungen durch die Kommunen, Auszeichnungen durch Bürgermeister und Landräte, transparentere und offenere Verfahren zum Erhalt von Landesverdienstorden wie Ehrennadeln, Schaffung alternativer Ehrerbringung in Form von Medaillen, Urkunden und Gutscheinen et cetera., überreicht durch lokale #Politiker, Bundesabgeordnete und Landtagsabgeordnete, Ortsvorsteher, Kreis- und Stadträte – und nicht zuletzt der Gedanke, Ehrenamtlichen auch eine materielle Wertschätzung zukommen zu lassen (1 Jahr freier ÖPNV, 1 Jahr freier Eintritt in kulturelle Einrichtungen, 1 Jahr Badespaß).

Ideen gibt es viele, wir müssen dringend daran arbeiten, die Kultur des Wertschätzens neu zu etablieren, um Ehrenamtliche bei der Stange zu halten und Ihnen neben der persönlichen Erfüllung und Sinnstiftung weiteren Grund zur Nächstenliebe zu geben.

Ich sende diesen Brief nachrichtlich an …

Staatsministerium Baden Württemberg, Deutscher Bundestag, Ausschuss für Bürgerschaftliches Engagement, Familienausschuss, Ausschuss Arbeit und Soziales, Presseverteiler, Stiftung Mitarbeit, BBE und andere.

Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen!

Dennis Riehle
Martin Schleyer Straße 27
78465 Konstanz