Lesetipps für Gütersloh, Hubert Herzog, »Wiener Lebensspiel«, eine Geschichte aus Wien

  • Der Eduard war ein Wiener. Doch eigentlich war er auch kein richtiger Wiener, zumindest sagte das der Opa immer.

Der Eduard war ein Wiener. Doch eigentlich war er auch kein richtiger Wiener, zumindest sagte das der Opa immer. Denn für einen Wiener war der Eduard viel zu freundlich. In Meidling wird er zum Fußballstar, sucht einen Schatz, reitet auf einem Nashorn und schüttelt ganz nebenbei Theodor Körner die Hand. Der #Roman verbindet wahre Begebenheiten mit Fiktion und begleitet die Hauptfigur durch ihr ganzes Leben – ein ganz normales Leben in #Wien.

Leseprobe

Da stand er nun, der Alois Mitterhuber, und es war ihm recht mulmig zumute. Als er sich auf den Weg gemacht hatte, war ihm aufgefallen, dass der Zeitungsjunge, der jeden Tag um die Ecke seiner Wohnung in der Währingerstraße 27 stand und die Hauptschlagzeile in die staubigen Gassen posaunte, heute etwas aufgeregter klang als sonst. Außerdem schien jedem seiner Rufe ein immer lauter werdendes Raunen und Gemurmel zu folgen. Alois Mitterhuber schenkte all dem keine Bedeutung. Die Zeitungen schrieben doch heutzutage immer sensationslüstern und meist war gar nichts dran an den Geschichten, die sie zum Besten gaben. So war er vorbeigeschlendert an dem Buben, den alle Schurli nannten. Vielleicht, weil er eigentlich Georg hieß, vielleicht aber auch, weil er so unglaublich schnell laufen konnte, wenn er wieder einmal frech gewesen war, als er kein Trinkgeld bekommen hatte und ihm ein Käufer für seine Impertinenz eine Tracht Prügel androhte.

Nun starrte Alois Mitterhuber auf den Platz vor ihm, der sich blitzschnell mit Leuten füllte. Diese Leute blickten recht grantig drein. Nicht, dass das etwas Ungewöhnliches war, immerhin befand man sich doch in Wien, wo das Granteln erfunden worden war. Zumindest hatte das dem Alois seine Oma immer erzählt, als er noch ein kleiner Bub war. Doch die Leute vor ihm schienen besonders grantig zu sein. Aufgebracht diskutierten sie zuerst, dann riefen sie Parolen. Schließlich drängten sich schon einige zu dem Platz, an dem Alois Mitterhuber stand.

Erna Tauber schimpfte: »So ein Blödsinn. Das ist sicher wieder nur ein Fehlalarm. Da hätte ich noch in aller Ruhe fertig kochen können. Aber du musstest mich hierher schleppen!« Sie warf ihrem Gatten, dem Tauber August, den alle Hansi nannten, einen giftigen Blick zu.

»Kommen Sie gnädige Frau«, sagte der junge Arzt und nahm sie an der Hand.

»Was soll ich sein? Eine gnädige Frau? Hast du das gehört Hansi?« Der Arzt ließ nicht locker und zerrte Erna Tauber in den Operationssaal. »Warten Sie hier«, wies er den verunsichert dreinblickenden August an.

»Schleich Dich, du Wachl!« Der große Schwarzhaarige, der schon die letzten Minuten ganz vorne in der wabernden und lärmenden Masse gestanden war, schien jetzt noch grantiger zu sein als zuvor …

Hubert Herzog

Taschenbuch, 132 Seiten, 12,90 Euro