Gütersloh: IT-Geschichten – Disketten, Jacobs Krönung und Zigaretten – von der Novell Netware zu Druckproblemen, Schriften, RIPs und Paul Renner​

Als in den 80ern die ersten Netzwerke aufkamen, war Novell Netware das große Ding. Bis dahin waren Mehrplatzumgebungen eher Mainframe-Umgebungen mit reinen Terminals als Arbeitsplätzen. Witzigerweise geht die Entwicklung heute wieder in diese Richtung (das heißt dann heute »Cloud« und »Software as a Service«).

Jedenfalls war damals die Novell Netware das System der Wahl. Und unter IT-Profis kursierte die folgende Bedarfsliste zur Installation eines Novell-Systems …

Was braucht man zur Installation von Novell Netware

  1. Den Karton mit den Novell-Netware-Disketten
     
  2. Zehn Pfund Jacobs Krönung, gemahlen
     
  3. Eine Stange Zigaretten

Ende der 80er steckte Apple auch noch in den Kinderschuhen, war aber in Sachen »Personal Computing« in bestimmten Bereichen (Grafik) führend. Griffige File und Print Server von Apple gab es noch nicht. Die Funktionalität war da, aber das Ganze lief dann auf normalen Macs, und die waren dafür nicht geeignet – sie waren zu teuer und zu langsam. Die Apple-LANs liefen über »LocalTalk« (wenn man so will ein Netzwerkkonzept, das man aus einer seriellen Schnittstelle zurechtgebastelt hatte), es kam dann auch das schnellere »EtherTalk« auf. Während man im »PC-Bereich« (also Microsoft-Bereich) teliweise noch auf Arcnet setzte – durchgesetzt hat sich dann letztlich das Ethernet (darauf hätte man auch gleich kommen können, denn die Mainframe-Umgebungen arbeiteten auch damit), damals noch mit Koaxialkabeln, heute mit »normalen« Kabeln, im Grunde genommen Telefonkabeln, damals hieß das dann »Twisted Pair« und galt als Spielerei. Heute spricht man von »CAT« und nutzt Vierdraht- beziehungsweise Mehrdraht-Telefonleitungen, immer mehr natürlich das WLAN-Konzept und andere drahtlose Konzepte wie 5G (oder auch noch LTE (4G), 3G wurde nun abgeschaltet – witzig ist die Bezeichnung »LTE«, »Long Term Evolution« – so »long« ist diese »Evolution« ja nun offensichtlich auch nicht, und man arbeitet längst schon an 6G), Bluetooth, RFID et cetera.

Jedenfalls sagte dann der Autor dieser Zeilen damals im Mohndruck Kalender und Promotion Verlag: »Wir brauchen hier ein Netzwerk mit File- und Printserver. Es kann ja nicht sein, dass hier zwischen den Arbeitsplätzen und in den Auftragstaschen Disketten hin und hergetragen werden. Und dass wir, wenn wir hier nun Kalenderlaschen ausdrucken, jedes Mal stundenlang warten müssen, bis die ›Arbeitsschlangen‹, die ›Warteschlangen‹ der Druckaufträge an jedem Arbeitsplatz abgearbeitet sind. Und dass, wenn mehrere User gleichzeitig drucken, alles durcheinandergerät.«

Novell bot dann eine Serversoftware an, die einen Apple-Fileserver emulierte und ebenso einen Printserver dargestellt hat, der sich im Netz als normaler Apple Laserwriter darstellte, der einfach immer beliebig viele Druckjobs annahm und immer bereit war.

Das Dumme war dann allerdings, dass die Software einen schwerwiegenden Programmierfehler aufwies, der auch nie bereinigt wurde. Die Zeit hat das Ganze dann überholt.

Damals setzte Apple auf die Seitenbeschreibungssprache Postscript, und im professionellen Bereich arbeitete man mit Postscript-Druckern und Postscript-Belichtern zur Filmbelichtung – das war die Evolution des Satzes (der Beruf des Schriftsetzers wurde ja mittlerweile abgeschafft). Es fing wahrscheinlich mit etwas in Richtung Kartoffeldruck an, dann kam so etwas wie Holzschnitt, dann hat Johannes Gensfleisch Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfunden (im Grunde genommen hat er den Schriftsatz erfunden), dann kam der Bleisatz (zunächst als Handsatz, dann kamen Setzmaschinen wie die »Linotype« und die »Monotype«), dann kam der Fotosatz, dann der Lichtsatz und schließlich der Lasersatz. Heute werden Druckplatten direkt belichtet – und immer noch mit Lasern. Das »Direct Imaging«, »DI«, konnte sich bis dato nicht durchsetzen. Es ist Profis zufolge nicht praktikabel, weil die Plattenzylinder zu oft neu belichtet werden müssen. Und diese Maschinen dürften auch sehr teuer sein.

Jedenfalls bedingt das Drucken oder das Belichten dann »RIPs« (»Raster Image Prozessoren«), die aus den Postscriptdaten die dann vom Laser zu belichtenden Pixeldaten berechnet haben. Und wenn man etwas gedruckt oder belichtet hat, dann hat man im Layout mit Postscript-Schriften gearbeitet (anfänglich mit Typ-3-Schriften, dann mit Typ-1-Schriften, Adobe will 2023 den Support für Postscript-Schriften, heute sagt man »Postscript-Fonts«, ganz einstellen – obwohl das PDF-Format, das ja auf Postscript basiert – wohl bleiben wird). Beim Drucken hat nun also der Client mit dem RIP kommuniziert und gesagt: Ich habe hier einen Druckjob mit folgenden Schriften – hast Du die? Wenn nicht, schicke ich sie mit. Jeder RIP hatte bestimmte, fest integrierte Standardschriften. Und so funktionierte das dann. Der RIP sagte: Diese und jene Schrift habe ich, die anderen nicht, die musst Du mitschicken.

Der Printserver von Novell hatte nun den Fehler, dass er immer gesagt hat: »Ich habe alle Schriften«. Also wurden sie niemals mitgeschickt und dann war der Druck natürlich fehlerhaft. Das Problem war unlösbar, denn am Server ließ sich das nicht konfigurieren und am Client auch nicht (man konnte nicht sagen, dass immer alle Schriften mitgeschickt werden sollten). Die Lösung war dann originell. Die konkret eingesetzten Drucker hatten RIPs mit eingebauten Festplatten. Und es ließ sich dann per Postscript-Kommandozeile so hinfummeln, dass man eigene Schriften auf diese Festplatten laden konnte, sodass sie dann tatsächlich auf dem RIP vorhanden waren.

Heute gibt es dieses Problem nicht mehr. Postscriptdrucker gibt es kaum noch, und die Druckereien arbeiten nur noch mit PDF-Files. Und die enthalten normalerweise immer alle Schriften, alle Fonts. Und unterstützen auch Formate wie TrueType oder OpenType.

Eine lustige Geschichte ergab sich zu dieser Zeit bei der Bertelsmann-Tochterfirma »EPS« (»Electronic Publishing Service«. Die Firma gibt es natürlich längst nicht mehr. Es gibt noch eine Firma »EPS«, aber das heißt »Electronic Printing Service« und ist etwas anderes. Nach Umfirmierungen dürfte »EPS« heute in Arvato aufgegangen sein. Jedenfalls sagte der Autor damals, das PDF-Format werde das Format der Zukunft sein (das sage ja schon der Name), und wurde dafür ausgelacht und weggeschickt. Das war noch zu Zeiten von Photoshop 1.0 (der auf eine 3,5-Zoll-Diskette passte). Im besagten Betrieb setzte man hingegen auf die Erfolgssoftware ColorStudio von Letraset. Denn Letraset kannte man (von den Letraset-Reibebuchstaben und den Letraset-Filmen, auf denen sie basierten) und das ColorStudio setze zum Ausmaskieren auf eine rote Ãœberlagerung, in der man dann herumgemalt hat – das kannte man von der »Kimoto-Folie« – die war rot, damit haben die Lithographen per Skalpell Masken hergestellt. Diese Denkweise hält sich bis heute, dass man nämlich per Digitalisierung Dinge simulieren müsse. Und nicht Dinge völlig neu konzipieren muss (oder anpassen, integrieren und ständig weiterentwickeln muss), weil »digital« nun einmal etwas Anderes ist als »analog«. Ähnlich sind Soundgeneratoren für Elektroautos, die einen satten V8-Sound simulieren. Interessant ist, dass es wohl nie Soundgeneratoren gab, die bei Autos ein Pferdewiehern simuliert haben oder ein Gerät, mit dessen Hilfe Pferdeäpfel aus dem Auspuff kamen. Aber zugegeben: So etwas war technisch auch gar nicht möglich.

Postscript war jedenfalls ein Geniestreich von Adobe. Und hat sich eben im PDF-Format bis heute gehalten. Es krankt nun heute leider daran, dass gewisse Objekteigenschaften nicht von »Viewports« abhängig gemacht werden können (und dass es gewisse Objekteigenschaften überhaupt nicht gibt, es gibt beispielsweise kaum oder keine abstrakten, dynamischen oder relativen Objekteigenschaften – dafür hat man im Onlinebereich nun CSS). Ãœbrigens ist der Adobe Illustrator – wenn man so will – ein Postscript-Frontend mit einer graphischen Benutzerberfläche (»GUI«). Das Illustrator-Format *.ai (früher *.art) ist Postscript. Das EPS-Format (»Encapsulated Postscript«) ist natürlich auch Postscript (hat aber bestimmte Eigenschaften, die das Illustrator-Format nicht hat). Online setzt man hingegen nun auf SVG (»Scalable Vector Graphics«) als Vektorformat, das sehr einfach gestrickt ist.

In alten Illustrator-Versionen war der Postscript-Code noch im Klartext zu lesen (händisch programmiert hat man Postscript nie, in Zeiten von Fotosatz und Lichtsatz hat man Seiten händisch programmiert, beispielsweise in der Sprache »DOSY« (»Digisetorientiertes Satzsystem«, eine Mnemonics-Sprache)).

So sah beispielsweise eine Postscriptprozedur aus

/setcmykcolor where
    {
    pop
    }
    {
    userdict /Adobe_cmykcolor_vars 2 dict dup begin put
    /_setrgbcolor
        /setrgbcolor load def
    /_currentrgbcolor
        /currentrgbcolor load def
    Adobe_cmykcolor begin
    Adobe_cmykcolor
        {
        dup xcheck
            {
            bind
            } if
        pop pop
        } forall
    end
    end
    Adobe_cmykcolor begin
    } ifelse
} def

Man konnte ein wenig herumspielen und per Terminal mit einem RIP kommunizieren und dann per Kommandozeile mal ein »Hello World« auswerfen … mit dem Befehl »showpage« wurde dann der Druck ausgelöst (das »Rastern« der Seite). In aktuellen Versionen liegt der Postscript-Code praktisch nicht mehr im Klartext vor, er ist für Menschen unverständlich. Typ-3-Fonts waren, wenn man so will, Klartext-Postscript – Typ-1-Fonts sind »Compressed Postscript«.

Heute ist das Ganze relativ unklar … es wird mit verschiedenen Formaten gearbeitet, beispielsweise online mit »WOFF« (»Web Open Font Format«), »TTF« (»TrueType Format«), »SVG« (»Scalable Vector Graphics«) oder »EOT« (»Embedded OpenType«). Offline eher mit TTF (»TrueType Format«) oder OTF (»OpenType Format«). Mit Postscript-Fonts ist es allerdings noch viel komplexer – es gibt die einzelnen Schriftschnitte als Postscriptfonts, dann gibt es »Font Suitcases«, die dann die Fonts enthalten, und es gab AFM-Files (»Adobe Font Metrics«), die noch einmal Dickten- und Pair-Kerning-Tabellen enthielten (»Zurichtungen« von Schriften). Heute will man mit so etwas natürlich nicht mehr belästigt werden. Das Pair Kerning findet heute automatisch statt. Und gab es früher einige Schriften in zwei Versionen – mit Tabellenziffern (deren Dickte genau ein Halbgeviert betrug) und mit »zugerichteten« Ziffern (deren Dickte »zugerichtet« war), so gibt es so etwas heute nicht mehr. »Yes to all«. »No to nothing«. Und umgekehrt. Darüber steht eine Pseudomoral.

In der Praxis sieht es dann wiederum so aus, dass alte Hasen früher sagten: »Es gibt nur zwei Schriften: Helvetica und Times«. Heute sind es eher Arial und Times. Eine Zeit Lang war bei besonders kreativen Imperten die Comic Sans sehr beliebt. Da es heute Tausende und Abertausende kostenloser TrueType-Fonts gratis gibt, findet alles Mögliche statt. Die prägenden Klassiker kennt praktisch niemand mehr und sie interessieren auch niemanden mehr. Es gab einen großen, dramatischen Kulturverlust. Wer kennt heute schon noch (ohne hier zu sehr ins Detail gehen zu wollen) Namen wie Claude Garamond (»Garamond«, eine Französische Renaissance-Antiqua), Giambattista Bodoni (»Bodoni«, eine Klassizistische Antiqua), Paul Renner (»Futura«, eine Serifenlose Linearantiqua, »Grotesk« (diese Bezeichnung kommt natürlich nicht von Ungefähr)), oder Adrian Frutiger (»Frutiger«, ebenfalls eine »Grotesk«). Und wen interessiert das alles überhaupt noch? Und warum auch? Heute kann ja jeder alles. Früher wussten wenige viel über wenig. Heute weiß jeder nichts über alles.