Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Auch krankheitsbedingte Kündigungen sind Massenentlassungen

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier krankheitsbedingter Kündigungen. Der Kläger ist seit dem 15. April 2008 bei der Beklagten als Luftsicherheitsassistent in einem Sechs-Zwei-Schichtsystem beschäftigt. Diese erbringt als Dienstleisterin Sicherheitsdienstleistungen am Flughafen Düsseldorf und beschäftigt in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer. Der Kläger war in den Jahren 2018 bis 2020 nach dem Vortrag der Beklagten an der folgenden Anzahl von Kalendertagen arbeitsunfähig erkrankt: 2018: 61 Tage, 2019: 74 Tage, 2020: 45 Tage. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers am 27. November 2020 zum 30. April 2021. Insgesamt sprach sie im Zeitraum vom 25. November 2020 bis zum 22. Dezember 2020 34 Kündigungen aus krankheitsbedingten Gründen aus. Eine Anzeige bei der Agentur für Arbeit erstattete die Beklagte nicht. Mit Schreiben vom 22. Januar 2021 kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers erneut zum 30. Juni 2021.

Der Kläger hält beide Kündigungen für unwirksam. Hinsichtlich der ersten Kündigung fehle es bereits an einer Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit gemäß Paragraph 17 Kündigungsschutzgesetz. Seine Erkrankungen seien vollständig ausgeheilt. Die Beklagte hält eine Massenentlassungsanzeige bei krankheitsbedingten Kündigungen nicht für erforderlich. Die überdurchschnittlichen Fehlzeiten des Klägers indizierten eine negative Gesundheitsprognose. Dessen Ausfallzeiten hätten zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen und Störungen im Betriebsablauf geführt.

Die Siebte Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat der Kündigungsschutzklage ebenso wie das Arbeitsgericht Düsseldorf stattgegeben, weil beide Kündigungen rechtsunwirksam sind. Die erste Kündigung scheitert bereits an der fehlenden Massenentlassungsanzeige. Nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck von Paragraph 17 Kündigungsschutzgesetz besteht die Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit auch bei krankheitsbedingten Massenentlassungen. Die ausdrückliche Anregung im Gesetzgebungsverfahrens, personen- und verhaltensbedingte Entlassungen von der Anzeigepflicht auszunehmen, hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen. Unabhängig davon sind beide Kündigungen unwirksam, weil sie nicht die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Anforderungen für krankheitsbedingten Kündigungen aufgrund häufiger Kurzzeiterkrankungen erfüllen. Die konkreten Krankheitszeiten, die 2020 wieder abfallen, begründen nicht die notwendige negative Gesundheitsprognose. Der Beklagten unzumutbare wirtschaftliche Belastungen liegen nicht vor. Diese musste nur in einem Jahr Entgeltfortzahlungskosten von mehr als 42 Tagen aufwenden. Die aufgrund von krankheitsbedingten Ausfällen auch kurzfristig erforderliche Anpassung des Dienstplans alleine begründet keine erhebliche Betriebsablaufstörung. Es handelt sich um eine Maßnahme, die jedem krankheitsbedingten Arbeitsausfall immanent ist.

Das #Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen, weil beide Kündigungen bereits auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu häufigen Kurzzeiterkrankungen unwirksam sind.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15. Oktober 2021, 7 Sa 405/21

Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 1. April 2021, 10 Ca 7888/20

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat heute in einem weitgehend parallel gelagerten Fall der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers ebenfalls stattgegeben (Urteil vom 15. Oktober 2021, 7 Sa 406/21; Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 31. März 2021, 8 Ca 8413/20). Es sind bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf weitere zumindest teilweise parallel gelagerte Kündigungsschutzverfahren anhängig.