Wolfsburg (ots) Noch nie hat ein früherer Top-Manager in Deutschland so viel Schadenersatz an sein Unternehmen leisten müssen. Wegen aktienrechtlicher Sorgfaltspflichtverletzungen im Zusammenhang mit den 2015 aufgedeckten Dieselabgasmanipulationen im Volkswagen-Konzern hat sich der kurz nach Bekanntwerden des Skandals zurückgetretene Vorstandschef Martin Winterkorn mit dem Fahrzeugbauer auf einen Vergleich geeinigt, der eine Zahlung über 11,2 Millionen Euro vorsieht. Das ist mehr als doppelt so viel wie jene fünf Millionen Euro, auf die sich der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer 2009 wegen Pflichtverletzungen im Zuge der Korruptionsaffäre verständigte. Jedoch lässt sich der Vergleich nach einer langwierigen Untersuchung der Ursachen und Verantwortlichkeiten auch noch anders relativieren: Etwa mit Blick auf Winterkorns Vergütung, die in Spitzenjahren bei rund 17 Millionen Euro lag. Und bei der Entschädigungssumme von 270 Millionen Euro aus der Managerhaftpflichtversicherung, die ein Konsortium mit rund 30 Versicherern an Volkswagen leistet, wenn die Hauptversammlung am 22. Juli 2021 der Vereinbarung zustimmt, handelt es sich zwar auch um eine Rekordsumme hierzulande. Doch im Verhältnis zu den Belastungen, die sich für die Wolfsburger im Zuge von »Dieselgate« auf 32 Milliarden Euro belaufen, ist der Betrag der D & O-Versicherer ein Bruchteil. Gemessen an der Dimension des Dieselskandals, der die größte Krise in der Geschichte von Volkswagen auslöste, ist das frühere Management bis heute glimpflich davongekommen. Der Aufsichtsrat, der beim Rücktritt Winterkorns dessen »un­schätzbare Verdienste« um den Konzern hervorhob, musste nach den Erkenntnissen der Aufarbeitung seit 2015 Regress auch von anderen ehemaligen Konzernmanagern wie Ex-Audi-Chef Rupert Stadler fordern, um sich nicht selbst der Gefahr einer Haftung auszusetzen. Mit dem Vergleich beseitigt der Konzern, der seine Aufklärungsarbeit jetzt als abgeschlossen ansieht, das Risiko langer juristischer Auseinandersetzungen und zusätzlicher Kosten an dieser Stelle. Es war nach fast sechs Jahren dringend geboten, die Vorstände für Schadenersatz in Anspruch zu nehmen. Für sie geht es im Dieselskandal in Gerichtssälen möglicherweise noch jahrelang weiter. Volkswagen sollte sich indes auf der Bestätigung des von der US-Justiz eingesetzten Kontrolleurs, heute ein besseres Unternehmen als vor drei Jahren zu sein, nicht ausruhen. Am Vorstandsressort Recht und Integrität etwa sollte der Fahrzeugbauer festhalten.