»Sie kennt ihn nicht. Doch er weiß alles über sie.« beschreibt das Buchcover die Handlung des Thrillers »Die Wahrheit« von Melanie Raabe. Gestern Abend war die Schriftstellerin im Rahmen der Lesereihe »Belesen« auf Einladung von Bertelsmann zu Gast in Gütersloh und präsentierte ihren zweiten Psycho-Thriller, der im vergangenen Jahr beim Bertelsmann Verlag btb erschien. Im vollbesetzten Bambi-Kino lauschten mehr als 100 Besucher gespannt der Lesung und ließen sich von dem packenden, aber keineswegs »blutigen« Thriller mitreißen. Zwischen Wahrheit, Trug und Nervenkitzel Mal lesend, mal erzählend nahm die junge Autorin ihr Publikum mit in ihre Geschichte über die rätselhafte Rückkehr des Geschäftsmanns Philipp Petersen. Dieser verschwindet während einer Südamerikareise spurlos und lässt seine Ehefrau Sarah mit vielen ungeklärten Fragen zurück: »Was ist mit meinem Mann passiert?«, »Was ist ihm zugestoßen?«, »Lebt er noch?«, »Was soll sie ihrem gemeinsamen Sohn erzählen, der an seinen Vater keine Erinnerung hat?«, »Ist Philipp freiwillig verschwunden?« … Nach sieben Jahren ohne Antworten versucht Sarah die vielen Fragen hinter sich zu lassen und ihr Leben neu zu ordnen. Doch dann erhält sie wie aus heiterem Himmel die Nachricht, dass Philipp am Leben ist und nach Hamburg zurückkehrt. Diese Ereignisse lösen ein neues Gefühlschaos in Sarah aus, was dann noch von ihrer Erkenntnis am Flughafen übertroffen wird: Der Mann, der aus dem Flugzeug steigt, ist nicht Philipp. Es ist nicht ihr Ehemann, es ist ein Fremder, der Sarah droht: Wenn sie ihn bloßstellt, werde sie alles verlieren, ihren Mann, ihr Kind, ihr ganzes scheinbar so perfektes Leben. »Zur Musik von Radiohead kann ich am besten schreiben« »Die Wahrheit« wird zum Großteil aus der Ich-Perspektive von Sarah erzählt – und so las auch Melanie Raabe bei der Veranstaltung im Bambi ausschließlich Passagen ihrer ambivalenten Protagonistin. Zwischen den Kapiteln wandte sie sich an das Gütersloher Publikum und fasste Erzählstränge der Geschichte zusammen oder berichtete von Erlebnissen und Gedanken während des Schreibens. So erzählte die Kölner Autorin unter anderem, dass Musik für sie während des Schreibprozesses und somit auch in ihren Büchern eine wichtige Rolle spiele: »Zur Musik der Band Radiohead kann ich am besten schreiben. Ich brauche mir nur die Kopfhörer aufzusetzen, die Musik anzumachen, und meine Finger fangen an zu kribbeln, und ich muss etwas schreiben.« Zum Lachen brachte sie das Publikum mit Anekdoten aus verschiedenen Interviews oder indem sie das Klingeln eines Handys schmunzelnd mit »Als ich vorhin gelesen habe, dass Sarah den Anruf erhält – da hätte das gut gepasst« kommentierte. Während ihrer Erzählungen blieb die erfolgreiche Bestsellerautorin nicht immer nur bei ihrem aktuellen Werk, sondern machte außerdem auf ihren Debütroman »Die Falle« neugierig, der ebenfalls im Genre Psychothriller angesiedelt und im Verlag btb erschienen ist. Amüsiert zeigten sich die Besucher auch über Melanie Raabes spontane Moderationseinlage, die im Anschluss an die Lesung in eine Fragerunde überleitete. Da aus dem Publikum niemand den Anfang machte, übernahm die Thriller-Autorin dies einfach selbst und stellte sich die Frage, die ihrer Erfahrung nach die meisten Leser interessiert: »Liebe Frau Raabe, woher nehmen Sie Ihre Ideen zum Schreiben?«Â  Das sei ganz unterschiedlich, antwortete sie daraufhin und erzählte, dass ihr die Idee zu ihrem ersten Buch »Die Falle« beim Flammkuchenessen und einem Gespräch mit einer Freundin über Künstlerpersönlichkeiten kam. »Bei ‚Die Wahrheit‘ hatte ich eigentlich zuerst ein Bild im Kopf. Ein Bild von einer Szene am Flughafen, wo eine Frau auf jemanden wartet«, schilderte sie. »Das kommt bestimmt von meinen ganzen Reisen, die ich momentan mache, denn ich bin zurzeit viel unterwegs auf Lesungen«, schob sie als mögliche Erklärung hinterher. Ganz wichtig sei es, jede Idee aufzuschreiben und festzuhalten. »Am PC, auf einem Notizzettel, zur Not auch auf einem Bierdeckel oder einer Serviette – Hauptsache aufschreiben!« Bevor es dann an ein neues Buch gehe, sichte sie alle aufgeschriebenen Gedanken. »Ich schaue mir alles an, überlege, welche Ideen genügend Stoff für ein ganzes Buch bieten und sortiere alles aus, was ich bei meiner schrecklichen Handschrift schon gar nicht mehr lesen kann«, erzählt sie schmunzelnd. Debütroman wird Filmvorlage Sich in seiner Fantasie keine Grenzen setzen zu müssen und einfach über das zu schreiben, was sie sich ausgedacht hat: Es seien diese Freiheiten, die Melanie Raabe am kreativen Schreiben begeistern. Ihr Durchhaltevermögen zahlte sich dabei aus, denn bevor sie »Die Falle« im März 2015 erfolgreich veröffentlichte, hatte sie bereits vier Bücher geschrieben, die jedoch von den Verlagen abgelehnt wurden. Umso mehr freut sie sich heute über den Durchbruch. »Ich denke zwar, dass es gerade im Krimigenre schon viele originelle Ideen gegeben hat, aber ich kann und möchte Geschichten auf meine Art erzählen, durch eine neue Form etwas schaffen, das es so noch nicht gab«, sagt die Autorin. Mit der Veröffentlichung eines Buches schließe sie jedoch immer vollständig mit der jeweiligen Geschichte ab. »Dann will ich etwas Neues anpacken, ich habe so viele Ideen«, erzählt Melanie Raabe. Das sei auch der Grund, warum sie sich bei der Verfilmung ihres Debütromans, dessen Filmrechte bei der amerikanischen Filmproduktionsfirma TriStar Pictures liegen, dagegen entschieden habe, aktiv am Drehbuch mitzuwirken. Dem Film blickt sie dennoch sehr gespannt entgegen und schlägt vor: »Den könnten wir dann ja eigentlich gemeinsam hier im Kino schauen.«